Tierarzt Wettbewerbsverbot – viele Assistent:innen unterschreiben diese Klausel ohne großes Kopfzerbrechen, bis der Jobwechsel näher rückt. Plötzlich stellt sich die Frage, ob ein einziger Hausbesuch im alten Einzugsgebiet 15 000 € Vertragsstrafe auslösen kann oder ob der Tierschutz am Ende doch schwerer wiegt.

Rechtliche Grundlagen
Gültigkeit trotz Eigenkündigung
Die Juristerei macht hier keinen Unterschied: Sobald das Arbeitsverhältnis endet, beginnt die vereinbarte Karenzzeit zu laufen, egal wer gekündigt hat. § 74 Abs. 1 Handelsgesetzbuch schreibt lediglich vor, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot schriftlich fixiert sein, höchstens zwei Jahre dauern und eine Entschädigung von mindestens fünfzig Prozent des letzten Durchschnittsverdienstes zahlen muss. Genau darauf baut die vorliegende Klausel auf. Interessant ist, dass das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 07. Oktober 2015 (10 AZR 260/14) klargestellt hat: Wird die Karenzentschädigung nicht pünktlich gezahlt, kann der oder die ehemalige Mitarbeitende das ganze Verbot verwerfen. Mit anderen Worten: Geldstau bedeutet Freiheitskarte.
Gesetzliche Basis
§ 74 Abs. 2 HGB zwingt den ehemaligen Arbeitgeber zur Zahlung der Entschädigung, in der Praxis oft „Karenz“ genannt. Ohne sie verliert der Vertrag seine Schutzwürdigkeit und damit seine Wirksamkeit.
Gerichtliche Praxis
Das BAG‑Urteil vom 12. Januar 1999 (9 AZR 786/95) betont, dass jede Beschränkung – räumlich, zeitlich oder gegenständlich – so bemessen sein muss, dass sie nicht mehr als nötig in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG eingreift. Ein Jahr und 30 km gelten bei Tierärzt:innen in ländlichen Regionen meist noch als moderat, können aber in Ballungsräumen schon zu viel des Guten sein.
Tätigkeit im 30‑km‑Radius
Die große Streitfrage lautet: Verstoße ich, wenn ich von einer neuen Praxis außerhalb des Kreises zu einer Kuh im Sperrgebiet fahre? Der Wortlaut „für einen Tierarzt tätig werden, der im genannten Gebiet tätig ist“ legt nahe, dass nicht nur die Postadresse der Praxis zählt, sondern auch die tatsächliche Tätigkeit. Genau hier knüpft der Gedanke der Wettbewerbsvermeidung an: Wer weiterhin Stammkundschaft des alten Arbeitgebers bedient, schwächt dessen Marktposition.
Auslegung des Tätigkeitsbegriffs
Mehrere Landesarbeitsgerichte (etwa LAG Nürnberg, 10 Sa 475/19) haben entschieden, dass schon wiederkehrende Hausbesuche innerhalb der Sperrzone als „Tätigwerden“ gelten können, selbst wenn die Hauptpraxis weit entfernt liegt. Ein einmaliger Notfallbesuch? Wahrscheinlich irrelevant. Regelmäßige Betreuung? Problematisch.
Tierwohl als Ausnahme?
Die gute Nachricht: In der Praxis scheuen Arbeitgeber den Imageschaden, wenn ein Tier wegen Vertragsklauseln leidet. § 1 TierSchG verpflichtet jede:n Tierarzt:ärztin, Leiden zu verhindern. Einigt man sich schriftlich auf gelegentliche Notfalleinsätze, ist das Risiko einer Vertragsstrafe gering. Doch Vorsicht – ohne klare Absprache bleibt es ein Ritt auf der Rasierklinge.
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Vertragliche Feinabstimmung
Noch vor der Kündigung lohnt sich der offene Dialog: Lässt sich der alte Arbeitgeber auf einen schriftlichen Verzicht (§ 75 HGB) ein? Geschieht das vor Ende des Arbeitsverhältnisses, endet die Entschädigungspflicht nach einem Jahr – ein fairer Tausch für beide Seiten.
Arbeitsalltag mit Sperrzone
Gemeinsam mit der neuen Praxis lassen sich „rote Linien“ festlegen. Wer Patienten in der 30‑km‑Zone hat, delegiert sie im ersten Jahr an Kolleg:innen. Klingt kompliziert? Vielleicht. Doch viele Praxen haben längst Routinen entwickelt, um solche Fälle abzupuffern.
Vertragsstrafe reduzieren
15 000 € wirken happig? Das BAG (Urteil vom 22. März 2018 – 8 AZR 190/17) hat bestätigt, dass Gerichte überhöhte Pauschalen herabsetzen dürfen. Wer nachweisen kann, dass ein milderes Mittel genügt hätte, darf auf eine Kürzung hoffen.
Praktischer Hinweis
Dokumentieren Sie jede Absprache. Sobald klar wird, dass der alte Stallbesitzer mitten im Sperrgebiet liegt, halten Sie schriftlich fest, wer statt Ihrer fährt. So bleibt die Kuh gesund – und Ihr Portemonnaie auch.
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Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist kein Papiertiger, doch es ist auch kein unüberwindbares Hindernis. Solange Entschädigung, Dauer und Radius gesetzeskonform bleiben, entfaltet die Klausel Wirkung – unabhängig davon, wer gekündigt hat. Wer trotzdem im Sperrgebiet arbeiten muss, braucht entweder eine saubere Vereinbarung oder starke Nerven vor Gericht. Klingt nach viel Papierkram? Stimmt. Aber wer das Thema frühzeitig angeht, spart am Ende nicht nur Geld, sondern auch schlaflose Nächte.
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