Krankheit Lohnkürzung verstehen und prüfen

Krankheit Lohnkürzung ist für viele Beschäftigte ein Reizthema. Besonders wenn das Gehalt auf einmal spürbar geringer ausfällt und die Erklärung des Arbeitgebers nur Fragezeichen hinterlässt, wächst der Frust. Genau das ist einer Zeitungszustellerin passiert – sie bekam deutlich weniger Lohn, obwohl sie krankgeschrieben war. Doch was darf der Arbeitgeber wirklich kürzen?

Krankheit Lohnkürzung verstehen und prüfen

Lohnkürzung trotz Krankschreibung?

Wenn Arbeitnehmer krank sind, muss der Lohn grundsätzlich weitergezahlt werden – das steht im Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 Abs. 1 EFZG). Klingt erstmal eindeutig, oder? Doch in der Praxis sorgt besonders der Umgang mit Zuschlägen, Feiertagen und Krankenkassenzahlungen oft für Verwirrung.

Nachtzuschlag bei Krankheit steuerpflichtig?

Die betroffene Zustellerin berichtete, dass sie normalerweise etwa 1.100 Euro netto im Monat verdient. Im April 2025, als sie vom 1. bis zum 24. krankgeschrieben war, bekam sie jedoch nur 918 Euro – ein Unterschied von über 180 Euro. Die Firma erklärte, dass der Nachtzuschlag bei Krankheit zwar weitergezahlt, aber versteuert werde. Und das ist korrekt – aber nicht die ganze Geschichte.

Laut § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind Nachtzuschläge normalerweise steuerfrei, wenn sie tatsächlich für geleistete Arbeit gezahlt werden. Wird der Zuschlag jedoch wegen Krankheit gezahlt, entfällt die Steuerfreiheit – der Betrag wird also versteuert und reduziert das Nettogehalt. Aber Achtung: Der Zuschlag muss trotzdem in voller Höhe gezahlt werden. Es geht nur um die steuerliche Behandlung, nicht um die Kürzung selbst.

Kein Nachtzuschlag gezahlt? Das ist unzulässig

Ein weit verbreiteter Irrtum ist: “Wer nicht arbeitet, bekommt keinen Zuschlag.” Genau das ist falsch. Der Arbeitgeber muss bei Krankheit so zahlen, als hätte die Person normal gearbeitet – inklusive aller Zuschläge, die bei der geplanten Arbeitszeit angefallen wären. Das hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach bestätigt, zuletzt mit dem Urteil vom 11.07.2007 – Az. 5 AZR 545/06.

Die Nachtarbeit der Zustellerin betrug im Schnitt rund drei Stunden pro Nacht, also über der Zwei-Stunden-Grenze für Zuschläge. Heißt: Auch während der Krankheit hätte sie Anspruch auf den Nachtzuschlag gehabt. Wurde er nicht gezahlt, ist das rechtswidrig.

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Weitere mögliche Fehlerquellen

Die Differenz im Lohn könnte aber noch weitere Ursachen haben. Schauen wir uns die genauer an.

Feiertage während der Krankheit unbezahlt?

Im April 2025 fielen zwei Feiertage – Karfreitag und Ostermontag – in den Krankheitszeitraum. Das wirft die Frage auf: Werden Feiertage während der Krankschreibung bezahlt?

Ja, grundsätzlich schon. Nach § 2 EFZG besteht auch an gesetzlichen Feiertagen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Tag auf einen regulären Arbeitstag fällt. Im Fall der Zustellerin war das gegeben – sie arbeitet montags bis samstags. Der Arbeitgeber darf diese Tage also nicht als “arbeitsfrei” werten und einfach den Lohn kürzen.

Wenn die Feiertage dennoch nicht bezahlt wurden, wäre das ebenfalls ein Verstoß gegen das EFZG.

Verrechnungsfehler mit der Krankenkasse?

Ein weiterer Stolperstein: Die Arbeitgeberin hat eine Vorerkrankungsanfrage an die Krankenkasse gestellt, aber keine Antwort erhalten. Dadurch kam es zunächst zu einer geringeren Auszahlung (nur 517 Euro) und einem Vorschuss von 500 Euro. Später wurde angeblich “zu viel” gezahlt, sodass 100 Euro vom nächsten Lohn einbehalten wurden.

Das klingt erstmal nach Chaos – und ist auch eines. Denn bei fehlenden Rückmeldungen der Krankenkasse darf der Arbeitgeber nicht einfach spekulativ kürzen. Falls zu viel gezahlt wurde, muss das nachvollziehbar und transparent abgerechnet werden. Alles andere verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 108 GewO (Gewerbeordnung), wonach der Arbeitnehmer Anspruch auf eine verständliche Lohnabrechnung hat.

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Was tun bei Verdacht auf falsche Abrechnung?

Wenn das Gehalt unerklärlich gekürzt wurde, ist es wichtig, strukturiert vorzugehen. Denn auch wenn man sich schnell übervorteilt fühlt, hilft nur eines: Transparenz schaffen.

Lohnabrechnung genau prüfen lassen

Der erste Schritt ist immer: Eine schriftliche Aufschlüsselung der Abrechnung vom Arbeitgeber anfordern – idealerweise mit Angabe, welche Zuschläge, Feiertage und Fehlzeiten wie berücksichtigt wurden.

Fehlt diese oder ist sie unverständlich, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen – oder die Gewerkschaft, falls man Mitglied ist. Diese bietet oft kostenfreie Unterstützung bei solchen Lohnfragen.

Arbeitsgericht als letzter Schritt

Wenn keine Einigung erzielt wird, bleibt der Weg zum Arbeitsgericht. Bei Streitwerten unter 5.000 Euro genügt ein einfaches Verfahren vor dem Arbeitsgericht, das auch ohne Anwalt möglich ist – wenngleich juristische Hilfe immer empfehlenswert bleibt.

Der Anspruch auf korrekte Lohnzahlung verjährt übrigens nach drei Jahren, gerechnet ab Ende des Jahres, in dem er entstanden ist (§ 195 BGB). Es ist also noch ausreichend Zeit, um eine Korrektur zu verlangen – aber je früher man handelt, desto besser.

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