Sweat Equity ohne Gehalt: Legal und sinnvoll für Startups?

Sweat Equity ohne Gehalt ist für viele Startups ein verlockendes Modell – Mitarbeit gegen Unternehmensanteile statt Lohn. Doch wie sicher ist dieses Vorgehen rechtlich wirklich? Wer hier nicht aufpasst, riskiert Sozialversicherungspflichten, die das junge Unternehmen ruinieren könnten.

Beteiligung statt Gehalt – was ist erlaubt?

In Deutschland ist die klassische Arbeitsvergütung klar geregelt: Wer dauerhaft und weisungsgebunden arbeitet, gilt in der Regel als sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Genau an diesem Punkt wird es bei Sweat Equity ohne Gehalt rechtlich heikel. Denn sobald eine Person regelmäßig Aufgaben übernimmt und diese ins Unternehmen integriert sind, könnte ein Arbeitsverhältnis unterstellt werden – selbst wenn nie ein Euro Lohn floss.

Das Bundessozialgericht hat hierzu bereits mehrfach Stellung genommen. Entscheidendes Kriterium ist nicht, ob ein Gehalt gezahlt wird, sondern ob eine „abhängige Beschäftigung“ vorliegt (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Das bedeutet: Wenn ein Entwickler jede Woche fix 10 bis 20 Stunden an einem Produkt arbeitet und dafür nur Anteile erhält, kann das als reguläre Arbeit ausgelegt werden – samt Nachzahlung von Sozialabgaben, Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen.

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Gesellschafterstatus schützt nicht automatisch

Viele Gründer gehen davon aus, dass der Status als Mitgesellschafter automatisch ausreicht, um die Sozialversicherungspflicht zu umgehen. Doch das stimmt nur bedingt. Entscheidend ist, wie viel Einfluss die betreffende Person tatsächlich im Unternehmen hat.

Wer weniger als 50 % der Anteile besitzt und zudem keinen echten Einfluss auf Entscheidungen nehmen kann, gilt laut ständiger Rechtsprechung nicht als selbstständig – auch wenn er formal als Gesellschafter geführt wird (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R). Damit liegt auch bei Sweat Equity ohne Gehalt schnell ein Fall von Scheinselbstständigkeit vor.

Und das kann teuer werden: Wird rückwirkend festgestellt, dass eine abhängige Beschäftigung bestand, droht die Pflicht zur Nachzahlung sämtlicher Sozialabgaben der letzten vier Jahre – plus Säumniszuschläge. Für ein junges Startup mit wenig Kapital wäre das fatal.

Einflussmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag

Wenn der Gesellschaftervertrag so gestaltet ist, dass der Sweat-Equity-Empfänger echte Mitbestimmungsrechte hat – etwa durch Vetorechte oder Stimmgewicht – kann dies helfen, den selbstständigen Status zu stützen. Doch das ist keine Garantie. Selbst bei formellen Rechten kommt es im Zweifel auf die tatsächlichen Verhältnisse im Alltag an.

Das bedeutet: Wer zwar Anteile hält, aber de facto weisungsgebunden arbeitet, wird auch rechtlich als Angestellter behandelt. Die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags kann zwar helfen – schützt aber nicht zuverlässig.

Tätigkeitsumfang und Projektbezug

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Umfang der Tätigkeit. Handelt es sich um eine einmalige Mitwirkung – etwa beim Logo-Design oder einer bestimmten Entwicklungsphase – ist eine pauschale Beteiligung eher unproblematisch. Problematisch wird es, wenn eine regelmäßige Mitarbeit über Monate oder gar Jahre erfolgt.

In solchen Fällen empfiehlt sich zumindest ein sogenanntes „Vesting“, also die schrittweise Übertragung der Anteile, gekoppelt an konkrete Meilensteine. Das reduziert das Risiko, bei Projektabbruch sofort Anteile abgeben zu müssen – verhindert aber nicht automatisch die Einordnung als Angestelltenverhältnis.

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Absicherung durch Statusfeststellung

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen (§ 7a SGB IV). Dabei wird verbindlich geklärt, ob es sich bei der Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit handelt.

Diese Prüfung kann vor Aufnahme der Tätigkeit beantragt werden und gibt beiden Seiten – dem Unternehmen und dem Beteiligten – Rechtssicherheit. Wichtig: Auch hier zählt das Gesamtbild, also Aufgabenprofil, Weisungsabhängigkeit und Integration ins Unternehmen.

Viele Startups scheuen dieses Verfahren, weil es formell und zeitaufwendig wirkt. Doch im Zweifel ist diese Investition besser als eine saftige Nachzahlung.

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Steuerliche Stolperfallen

Nicht zu vergessen sind auch die steuerlichen Aspekte. Wenn Anteile als Gegenleistung für Arbeit übertragen werden, kann dies als geldwerter Vorteil gelten – und somit einkommensteuerpflichtig sein. Der Wert der Anteile wird dann zum Zeitpunkt der Übertragung geschätzt und als Einkommen gewertet (§ 8 EStG).

Besonders problematisch wird das, wenn die Beteiligung erst viel später tatsächlich zu einem Gewinn führt – aber bereits im Jahr der Übertragung versteuert werden muss. Hier kann es helfen, mit einem erfahrenen Steuerberater eine juristisch belastbare Bewertung vorzunehmen und die Besteuerung eventuell aufzuschieben.

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Rechtliche Gestaltung mit Profis

Unterm Strich zeigt sich: Sweat Equity ohne Gehalt ist möglich – aber rechtlich hochsensibel. Wer diesen Weg gehen will, sollte nicht auf Musterverträge oder Forenratschläge vertrauen, sondern einen spezialisierten Anwalt für Gesellschafts- und Arbeitsrecht hinzuziehen. Auch die Einbindung eines Steuerberaters ist ratsam, um Überraschungen bei der Einkommensteuer zu vermeiden.

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Fazit

Sweat Equity ohne Gehalt klingt zunächst wie eine clevere Lösung für Startups mit knappem Budget – motivierte Mitarbeit ohne Lohn, dafür mit Unternehmensanteilen. Doch rechtlich ist dieses Modell keineswegs ein Selbstläufer. Sobald eine regelmäßige, weisungsgebundene Tätigkeit vorliegt, kann es schnell als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingestuft werden – mit enormen finanziellen Folgen. Der Status als Gesellschafter allein schützt nicht automatisch, auch nicht bei geringer Beteiligung wie 5 oder 6 %. Deshalb sollte bei jedem Einsatz von Sweat Equity ohne Gehalt unbedingt ein Statusfeststellungsverfahren in Betracht gezogen und die steuerlichen Implikationen professionell geprüft werden. Wer hier sauber arbeitet, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch das langfristige Vertrauen potenzieller Investoren und Geschäftspartner.

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FAQ

Ist Sweat Equity ohne Gehalt in Deutschland überhaupt erlaubt?

Ja, grundsätzlich ist es erlaubt. Es darf aber kein verstecktes Arbeitsverhältnis vorliegen. Die Beteiligung muss unternehmerisch motiviert sein und nicht der Umgehung von Lohnkosten dienen.

Ab wann gilt jemand als scheinselbstständig trotz Beteiligung?

Wenn jemand dauerhaft, regelmäßig und weisungsgebunden für das Unternehmen tätig ist, aber keine unternehmerischen Entscheidungsrechte hat, kann schnell von Scheinselbstständigkeit ausgegangen werden – auch bei vorhandenen Anteilen.

Muss ich Sozialabgaben zahlen, obwohl nur Anteile vergeben werden?

Wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt wird, ja. Dann gelten alle Regelungen zur Sozialversicherung – unabhängig davon, ob Gehalt oder Anteile geflossen sind. Das betrifft sowohl Kranken- als auch Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Kann ein Statusfeststellungsverfahren Klarheit bringen?

Ja, das ist sogar die empfohlene Vorgehensweise. Die Deutsche Rentenversicherung prüft im Einzelfall, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder abhängig einzustufen ist. Damit lässt sich rechtliche Sicherheit schaffen.

Was sagt das Gesetz konkret zu Sweat Equity?

Im Sozialgesetzbuch (§ 7 Abs. 1 SGB IV) wird die „abhängige Beschäftigung“ definiert. Entscheidend sind dabei nicht Titel oder Vergütungsform, sondern tatsächliche Arbeitsweise und Weisungsbindung. Zudem greifen steuerrechtliche Regelungen wie § 8 EStG bei geldwerten Vorteilen.

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