Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber – diese Worte allein können bei Arbeitnehmern Panik auslösen. Wenn dann noch Druck, Drohungen und Chaos bei der Bezahlung dazukommen, ist die Unsicherheit komplett. Genau das musste ein Arbeitnehmer erleben, der von seinem Chef gleich mehrfach mündlich entlassen wurde – ohne ein einziges offizielles Schreiben.
Rechtlicher Rahmen bei Kündigungen
Bevor man sich zu einer Kündigung – ob fristlos oder ordentlich – entscheidet, sollte man wissen, welches Recht überhaupt gilt. Im geschilderten Fall war der Arbeitnehmer in Deutschland tätig, der Arbeitgeber hatte jedoch seinen Sitz in der Schweiz. Der Vertrag enthielt keine ausdrückliche Rechtswahlklausel.
Welches Recht ist anwendbar?
Nach Art. 8 Abs. 2 Rom-I-Verordnung gilt für Arbeitsverträge das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet – hier also Deutschland. Es sei denn, eine engere Verbindung zur Schweiz wäre nachweisbar, was in diesem Fall eher unwahrscheinlich erscheint. Das bedeutet: deutsches Arbeitsrecht findet Anwendung, nicht das schweizerische.
Schriftform bei Kündigungen
Gemäß § 623 BGB bedarf jede Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform. Eine mündliche Kündigung per Zoom oder WhatsApp ist damit schlicht unwirksam – egal wie oft sie ausgesprochen wird. Auch wenn der Chef mehrfach „kündigt“, ist das rechtlich ohne Wirkung, solange nichts Schriftliches vorliegt.
Arbeiten während Krankschreibung erlaubt? 👆Voraussetzungen für eigene fristlose Kündigung
Natürlich stellt sich die Frage: Wenn der Chef sich so verhält – kann man dann nicht selbst fristlos kündigen? Ja, das ist unter bestimmten Bedingungen möglich. Aber Vorsicht: Die Anforderungen für eine arbeitnehmerseitige außerordentliche Kündigung sind hoch.
Wichtiger Grund gemäß § 626 BGB
Ein Arbeitnehmer kann fristlos kündigen, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt. Dieser muss so gravierend sein, dass dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei ist stets eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Fehlende Lohnzahlung als Grund?
Wird Gehalt unregelmäßig oder gar nicht gezahlt, kann das durchaus ein wichtiger Grund sein. In dem beschriebenen Fall wurde das Gehalt mal zu früh, mal zu spät gezahlt, außerdem wurde offenbar seit Monaten keine Lohnsteuer abgeführt – und erst nach sieben Monaten eine Sozialversicherungsmeldung gemacht. Das wiegt schwer.
Weitere Pflichtverletzungen des Arbeitgebers
Hinzu kommt: Der Chef stellt offen infrage, ob der Arbeitsvertrag überhaupt gilt, spricht von „Wohlwollen“, droht mit fristloser Kündigung und behauptet, man solle sich doch mit seinen „Top-Anwälten“ herumschlagen. Auch das kann als erhebliche Pflichtverletzung gewertet werden.
Vergleich nach Kündigung: Was bleibt noch offen? 👆Dokumentation ist entscheidend
Wenn man sich auf eine fristlose Kündigung berufen möchte, sollte man nachweisen können, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet: Vorfälle dokumentieren, Nachrichten sichern, Gesprächsaufzeichnungen aufbewahren (natürlich nur, wenn dies rechtlich zulässig ist).
Nachweisproblematik bei mündlichen Drohungen
Im beschriebenen Fall wurden Zoom-Gespräche regelmäßig aufgezeichnet – das kann ein Vorteil sein, wenn aus diesen Gesprächen hervorgeht, dass der Arbeitgeber mit Drohungen agierte oder den Arbeitsvertrag missachtet. Allerdings sind Tonaufnahmen in Deutschland ohne Einwilligung aller Beteiligten problematisch (§ 201 StGB). Eine schriftliche Bestätigung der Aussagen wäre daher sicherer.
Abmahnung erforderlich?
Bei fristlosen Kündigungen durch den Arbeitnehmer ist eine vorherige Abmahnung nicht zwingend, wenn das Verhalten des Arbeitgebers besonders schwerwiegend ist. Dennoch kann eine schriftliche Rüge oder Aufforderung zur Korrektur dem eigenen Standpunkt später vor Gericht helfen.
Unzulässige Austauschkündigung befristet prüfen 👆Psychische Belastung als Kündigungsgrund?
Ein weiterer Aspekt ist die gesundheitliche Belastung. Der Betroffene schildert massive Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und das seiner Familie – auch das kann berücksichtigt werden, allerdings reicht allein die subjektive Belastung in der Regel nicht aus. Es braucht objektive Pflichtverletzungen seitens des Arbeitgebers.
Arbeitsüberlastung in Kündigungsfrist
Schon einmal hatte der Betroffene regulär gekündigt – und wurde während der Kündigungsfrist mit unangemessener Mehrarbeit belastet. Diese Erfahrung wirkt nach und kann die Hemmschwelle für eine erneute ordentliche Kündigung erhöhen. Trotzdem ist es ratsam, eine schriftliche ordentliche Kündigung einzureichen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
Geldwerter Vorteil Dienstwagen bei Krankheit erklärt 👆Gerichtliche Durchsetzung bei Streit
Falls der Chef wirklich das Gehalt einstellt oder gegen eine fristlose Kündigung klagt, muss man sich nicht fürchten. In Deutschland ist der Gang zum Arbeitsgericht für Arbeitnehmer mit geringem Kostenrisiko verbunden – insbesondere in erster Instanz (§ 12a ArbGG). Die Gerichte entscheiden zudem oft arbeitnehmerfreundlich.
Streit um Wirksamkeit der Kündigung
Selbst wenn der Arbeitgeber behauptet, die Kündigung sei unwirksam – solange ein wichtiger Grund nachvollziehbar und belegbar ist, stehen die Chancen vor Gericht nicht schlecht. Außerdem: Der Arbeitgeber müsste beweisen, dass kein wichtiger Grund vorlag, nicht der Arbeitnehmer.
Wettbewerbsverbot ohne Tätigkeit wirksam? 👆Fazit
Wenn ein Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung durch Arbeitgeber droht, ohne sich an grundlegende rechtliche Vorgaben wie die Schriftform oder pünktliche Gehaltszahlung zu halten, ist das mehr als ein Warnsignal. In solchen Fällen muss sich niemand gefallen lassen, als reines “Wohlwollensprojekt” behandelt zu werden. Auch wenn eine fristlose Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen rechtlich Bestand hat, sind die Chancen im vorliegenden Fall durchaus gegeben – vorausgesetzt, die Pflichtverletzungen sind dokumentiert und schwerwiegend. Wer unsicher ist, ob der Schritt der richtige ist, sollte sich rechtlich beraten lassen. Denn bei einer fristlosen Kündigung durch Arbeitgeber, die wiederholt nur mündlich ausgesprochen wird, steckt oft mehr Willkür als rechtliche Substanz dahinter.
TVÖD Überstunden abfeiern erzwingen erlaubt? 👆FAQ
Muss eine fristlose Kündigung immer schriftlich erfolgen?
Ja, gemäß § 623 BGB ist die Schriftform zwingend erforderlich – sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Mündliche Kündigungen per Zoom oder WhatsApp sind in Deutschland nicht wirksam.
Kann ich selbst fristlos kündigen, wenn mein Chef mich nur noch unter Druck setzt?
Grundsätzlich ist das möglich – aber nur, wenn ein “wichtiger Grund” im Sinne des § 626 BGB vorliegt. Drohungen, verspätete Lohnzahlungen oder fehlende Sozialversicherungsanmeldung können unter bestimmten Umständen einen solchen Grund darstellen.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber meine fristlose Kündigung nicht akzeptiert?
Dann kann es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren kommen. In der Regel prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung gegeben waren. Für Arbeitnehmer besteht in der ersten Instanz kein Kostenrisiko (§ 12a ArbGG).
Gilt deutsches oder schweizerisches Arbeitsrecht?
Da der gewöhnliche Arbeitsort in Deutschland liegt und keine ausdrückliche Rechtswahl im Vertrag steht, gilt nach der Rom-I-Verordnung deutsches Arbeitsrecht – auch wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in der Schweiz hat.
Was kann ich tun, wenn der Arbeitgeber kein Gehalt mehr zahlt?
Zunächst sollte eine schriftliche Zahlungsaufforderung erfolgen. Reagiert der Arbeitgeber nicht, können Lohnansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Auch dies ist über das Arbeitsgericht kostenarm und effizient möglich.
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