Aufhebungsvertrag ohne Abfindung – das klingt im ersten Moment wie ein faires Angebot zur Vermeidung einer Kündigung. Doch was, wenn der eigentliche Arbeitsplatz noch besetzt ist? Und wie können Sie in solchen Fällen besser verhandeln oder eine Kündigungsschutzklage vorbereiten? Genau darum geht’s in diesem Beitrag. Wir tauchen tief in die Fallstricke eines solchen Vertrags ein und geben Ihnen fundierte, aber verständliche Antworten.
Mögliche Kündigung trotz ursprünglicher Stelle?
Ein Aufhebungsvertrag wird oft angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu umgehen. Doch was passiert, wenn die Stelle laut Arbeitsvertrag noch existiert – und sogar neu besetzt wurde? Im konkreten Fall wurde der betroffene Arbeitnehmer mündlich in eine neue Abteilung „versetzt“, was jedoch nie vertraglich dokumentiert wurde. Solche informellen Umstrukturierungen bergen rechtlich brisante Folgen.
Arbeitsvertraglich relevante Abteilung bleibt bestehen
Wird eine Abteilung, in der der Arbeitnehmer ursprünglich tätig war, nicht aufgelöst, sondern nur personell neu besetzt, besteht formell ein Anspruch auf den alten Arbeitsplatz weiter. Entscheidend ist hier der schriftliche Arbeitsvertrag. Nach § 611a BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Beschäftigung entsprechend der vertraglich vereinbarten Tätigkeit zu ermöglichen – mündliche Zusagen sind allein nicht bindend.
Umgehung des Kündigungsschutzes?
Wenn ein Arbeitgeber bewusst neue Abteilungen schafft und diese anschließend auflöst, um Mitarbeiter leichter loszuwerden, kann das arbeitsrechtlich kritisch sein. Zwar ist eine betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich zulässig, sie muss aber den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG genügen: Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, und es darf keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehen. Ist die alte Stelle also noch vorhanden, fehlt dieser Kündigungsgrund meist.
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In der Praxis stellt sich die Frage: Was wäre in einem Gegenangebot „drin“? Eine Antwort hängt von verschiedenen Faktoren ab – Betriebszugehörigkeit, Chancen auf dem Arbeitsmarkt und mögliche rechtliche Unsicherheiten für den Arbeitgeber.
Abfindung als Verhandlungsbasis
Auch wenn gesetzlich kein genereller Anspruch auf eine Abfindung besteht, kann sie im Rahmen eines Aufhebungsvertrags ausgehandelt werden. In diesem Fall scheint eine Abfindung von mindestens drei Monatsgehältern realistisch, da keine reguläre Kündigungsfrist gewährt wird und die betroffene Person somit kaum Zeit hat, sich neu zu orientieren. Die Formel nach § 1a KSchG (0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr) kann hier als grobe Orientierung dienen – doch auch ein Vielfaches ist je nach Verhandlungsstärke denkbar.
Alternative: Längere Freistellung
Wenn der Arbeitgeber keine monetäre Abfindung zahlen will, kann eine längere bezahlte Freistellung (über den 30.06. hinaus) ebenfalls ein Verhandlungspunkt sein. Dabei gilt jedoch: Während einer Freistellung entstehen keine weiteren Rentenansprüche und der Urlaubsanspruch bleibt auf das Restjahr beschränkt.
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Ein nachvollziehbarer Punkt ist die Sorge, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag zurückzieht, sobald ein Gegenangebot gemacht wird. Was passiert dann?
Versetzung an „irgendeine“ Stelle?
Wird der Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, könnte der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitnehmer auf eine andere Stelle zu versetzen. Doch auch hier gilt: Ohne Änderungskündigung oder eine entsprechende Vertragsklausel ist eine einseitige Versetzung kaum haltbar. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10.07.2013 – 10 AZR 915/12) hat klargestellt, dass Versetzungen nur im Rahmen des Direktionsrechts nach § 106 GewO erfolgen dürfen – und nicht gegen den klaren Vertragsinhalt.
Kündigungsschutzklage als nächster Schritt
Kommt es zur Kündigung, steht die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage offen. Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss diese nach § 4 KSchG beim Arbeitsgericht eingereicht werden. In vielen Fällen endet das Verfahren bereits beim Gütetermin mit einem gerichtlichen Vergleich – häufig mit Abfindungszahlung.
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Prozesskostenhilfe beantragen
Wer finanziell nicht in der Lage ist, die Kosten für eine Kündigungsschutzklage zu tragen, kann beim Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe beantragen (§ 114 ZPO). Dafür müssen Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt werden. Ist der Antrag erfolgreich, trägt der Staat die Gerichtskosten und ggf. Anwaltskosten – zumindest anteilig.
Alternativen: Gewerkschaft oder Beratungsstellen
Viele Arbeitnehmer sind sich nicht bewusst, dass auch Gewerkschaften in solchen Fällen unterstützen. Eine Mitgliedschaft bei ver.di, IG Metall oder ähnlichen Organisationen bietet meist rechtlichen Beistand – oft sogar ohne zusätzliche Kosten. Auch öffentliche Beratungsstellen oder Anwaltsvereine bieten vergünstigte oder sogar kostenlose Erstberatungen an.
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Keine Mitbestimmung bei Kündigung oder Umstrukturierung
Ein Betriebsrat hat gemäß § 102 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen. Ohne Betriebsrat entfällt diese Kontrollinstanz – und der Arbeitgeber kann Entscheidungen wie Projektumstrukturierungen oder Kündigungen leichter umsetzen. Das bedeutet: Der Schutz des Arbeitnehmers ist deutlich schwächer.
Kein Widerspruchsrecht für Mitarbeiter
Hätte ein Betriebsrat existiert, hätte er der Kündigung widersprechen können – ein starkes Druckmittel in der Verhandlung. Ohne diesen Schutz ist es umso wichtiger, dass der Arbeitnehmer selbst die rechtlichen Hebel kennt und nutzt.
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Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermeiden
Ein Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen (§ 159 SGB III). Diese dauert meist zwölf Wochen. Um das zu vermeiden, sollte im Vertrag eine „arbeitgeberseitige Veranlassung“ und der „Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit“ explizit genannt werden. Nur so erkennt die Bundesagentur für Arbeit den Aufhebungsvertrag als neutral oder arbeitgeberinitiiert an.
Zeugnis als Verhandlungsmasse
Ein „hervorragendes Arbeitszeugnis“ ist schön – aber wie verbindlich ist das? Der Anspruch auf ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis ergibt sich aus § 109 GewO. Wichtig ist jedoch, dass die Formulierung im Aufhebungsvertrag möglichst konkret ist, etwa: „Der Arbeitgeber stellt ein wohlwollendes, der Leistung entsprechendes qualifiziertes Zeugnis aus.“
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Ein Aufhebungsvertrag ohne Abfindung kann auf den ersten Blick wie ein schnelles und unkompliziertes Ende eines Arbeitsverhältnisses wirken. Doch gerade wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz noch besteht und der Wechsel in eine neue Abteilung nie schriftlich fixiert wurde, sollte man stutzig werden. Arbeitgeber versuchen mit solchen Angeboten nicht selten, eine rechtlich unsichere betriebsbedingte Kündigung zu umgehen – und das möglichst kostengünstig.
Wer sich in einer vergleichbaren Lage befindet, sollte genau prüfen, ob der Aufhebungsvertrag wirklich im eigenen Interesse liegt. In vielen Fällen lassen sich durch kluges Verhandeln eine Abfindung, eine längere Freistellung oder andere vorteilhafte Regelungen durchsetzen. Besonders wichtig: Wer den Aufhebungsvertrag ohne Abfindung einfach unterschreibt, riskiert nicht nur finanzielle Einbußen, sondern auch eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Es lohnt sich, vorher alle Optionen mit einem Arbeitsrechtsexperten oder über die Prozesskostenhilfe zu klären.
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Kann ich den Aufhebungsvertrag später widerrufen?
In der Regel nein. Ein Aufhebungsvertrag ist ein zweiseitiger Vertrag und kann nicht einfach widerrufen werden – außer es liegen besondere Umstände wie Täuschung oder Drohung vor (§ 123 BGB).
Führt ein Aufhebungsvertrag ohne Abfindung immer zu einer Sperrzeit?
Nicht immer, aber sehr häufig. Um die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vermeiden, muss der Vertrag eine arbeitgeberseitige Veranlassung enthalten. Fehlt diese, wertet die Agentur für Arbeit den Vertrag oft als selbst gewählte Arbeitslosigkeit.
Ist ein Aufhebungsvertrag ohne Abfindung rechtlich zulässig?
Ja, zulässig ist er. Das deutsche Arbeitsrecht sieht keine Pflicht zur Zahlung einer Abfindung vor. Dennoch kann man unter Umständen eine Zahlung aushandeln – vor allem, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung fürchtet.
Was passiert, wenn ich den Vertrag ablehne?
Dann bleibt dem Arbeitgeber meist nur der Weg über eine reguläre Kündigung. In diesem Fall kann man Kündigungsschutzklage einreichen. Oft endet das Verfahren mit einem Vergleich – und einer Abfindung.
Zählt die Versetzung in die neue Abteilung rechtlich?
Nur, wenn sie schriftlich im Vertrag oder als Änderungsvereinbarung festgehalten wurde. Eine rein mündliche Versetzung reicht nicht aus, um auf die alte Stelle zu verzichten – besonders relevant, wenn der Arbeitsplatz noch besteht.
Kann ich nach dem Aufhebungsvertrag sofort Arbeitslosengeld beantragen?
Ja, aber Vorsicht: Wenn keine entsprechende Formulierung im Vertrag steht, kann eine Sperrzeit drohen. Am besten vorab mit der Agentur für Arbeit klären oder rechtlich beraten lassen.
Wie hoch kann eine Abfindung ausfallen?
Das hängt von vielen Faktoren ab: Dauer der Beschäftigung, Alter, Familienstand, Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage. Eine grobe Orientierung: 0,5 bis 1 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr – aber es ist alles Verhandlungssache.
Was, wenn der Arbeitgeber nach Gegenangebot den Vertrag zurückzieht?
Das ist sein gutes Recht. Dann kann er regulär kündigen oder eine andere Stelle anbieten. Wichtig ist: Der Aufhebungsvertrag ist erst mit Unterschrift beider Seiten bindend.
Muss ich ein angebotenes Zeugnis akzeptieren?
Nein, das Zeugnis muss wohlwollend und der Leistung entsprechend formuliert sein (§ 109 GewO). Ist das nicht der Fall, kann man auf Berichtigung klagen.
Kann ich ohne Rechtsschutzversicherung gegen den Arbeitgeber vorgehen?
Ja. Man kann Prozesskostenhilfe beantragen oder sich an eine Gewerkschaft wenden. Auch Beratungsstellen oder spezialisierte Kanzleien bieten häufig kostenlose Erstgespräche an. Ein Aufhebungsvertrag ohne Abfindung sollte niemals aus Angst vor Kosten einfach unterschrieben werden.
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