Kurzarbeit Missbrauch im Büro erkennen

Ein Mitarbeiter wird als einziger im Büro auf Kurzarbeit Null gesetzt, während andere Kollegen weiterarbeiten? Wenn das kein Einzelfall ist, sondern System hat, dann spricht vieles für einen gezielten Kurzarbeit Missbrauch. Und genau das wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf.

Fallbeispiel: Kurzarbeit Null im Büro als Druckmittel

Ein langjähriger Angestellter arbeitet in einem kleinen Unternehmen mit etwa 35 Mitarbeitern. Die Produktion fährt Kurzarbeit von 20 bis 40 Prozent. Doch im Bürobereich, wo er in Einkauf und Kalkulation tätig ist, bleibt er der einzige Mitarbeiter, der vollständig von Kurzarbeit Null betroffen ist – ohne konkrete Befristung.

Dabei liegt keine sachliche Begründung vor, warum gerade dieser Mitarbeiter zu 100 % entbehrlich sein sollte, während die anderen Kolleginnen und Kollegen im selben Team weiterhin voll arbeiten. Besonders auffällig: Der Arbeitgeber hatte bereits mehrfach versucht, den Mitarbeiter durch Abmahnungen oder Aufhebungsverträge zum freiwilligen Ausscheiden zu bewegen. Ein Zusammenhang ist naheliegend.

Auch wenn alle Mitarbeiter in einer Informationsveranstaltung eine pauschale Zustimmung zur Kurzarbeit unterzeichnet haben, fehlte eine explizite Einwilligung zur Kurzarbeit Null. Und genau hier beginnt das rechtliche Problem.

Unterschiedliche Behandlung innerhalb eines Teams

Die Kurzarbeit muss betrieblich notwendig sein und darf nicht diskriminierend oder willkürlich erfolgen. Es ist also unzulässig, willkürlich einzelne Personen auf Kurzarbeit Null zu setzen, wenn der Betrieb ansonsten weiterläuft – und genau das ist in diesem Fall geschehen.

Verdacht auf rechtsmissbräuchlichen Einsatz

Wenn alle anderen Mitarbeiter weiterhin arbeiten dürfen und nur ein einzelner Mitarbeiter ohne erkennbaren sachlichen Grund zu Hause bleiben muss, liegt der Verdacht eines gezielten Kurzarbeit Missbrauchs nahe. Der Verdacht wird durch vorherige Konflikte mit dem Arbeitgeber und dokumentierte Versuche, den Mitarbeiter loszuwerden, zusätzlich erhärtet.

Ordentliche Kündigung vor Arbeitsantritt gültig? 👆

Kurzarbeit rechtlich korrekt einführen

Rechtsgrundlage: § 95 SGB III

Die Einführung von Kurzarbeit setzt gemäß § 95 SGB III eine erhebliche Einschränkung des Arbeitsvolumens voraus. Die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer ist zwingend erforderlich – entweder individuell oder kollektiv über den Betriebsrat. Fehlt ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine entsprechende Vereinbarung treffen.

Keine pauschale Zustimmung zu Kurzarbeit Null

Wurde lediglich pauschal der Kurzarbeit zugestimmt, jedoch nicht der besonderen Form der Kurzarbeit Null, fehlt es an einer konkreten Rechtsgrundlage. Denn Kurzarbeit Null bedeutet einen vollständigen Entfall der Arbeitspflicht – das muss explizit vereinbart werden. Ohne diese Grundlage könnte der gesamte Einsatz der Kurzarbeit rechtswidrig sein.

Sozial gerechtfertigte Auswahl ist Pflicht

Wenn im Betrieb nicht alle Beschäftigten gleichermaßen betroffen sind, muss die Auswahl der betroffenen Personen sozial gerechtfertigt sein. Das bedeutet: Es müssen objektive Gründe vorliegen, warum gerade dieser Mitarbeiter betroffen ist – etwa weil seine Aufgaben aktuell entfallen oder nicht zwingend notwendig sind. Fehlt diese Begründung, kann eine Klage auf Lohnzahlung Aussicht auf Erfolg haben.

Fahrverbot Arbeitgeber informieren: Meldepflicht? 👆

Missbrauch von Kurzarbeit erkennen

Indizien für rechtswidrige Kurzarbeit

Einige typische Anzeichen deuten darauf hin, dass Kurzarbeit missbräuchlich eingesetzt wird:

  • Nur ein einzelner Mitarbeiter in einem Team ist betroffen

  • Kein objektiver, betrieblicher Grund liegt vor

  • Frühere Versuche, den Mitarbeiter loszuwerden (z. B. Aufhebungsvertrag)

  • Der betroffene Mitarbeiter bietet seine Arbeitskraft an – wird aber ignoriert

  • Die betroffene Tätigkeit wird plötzlich als „nicht dringend“ deklariert

Taktik zur Kündigungsvorbereitung?

In vielen Fällen wird Kurzarbeit Null als Strategie genutzt, um eine spätere betriebsbedingte Kündigung vorzubereiten. Denn wer längere Zeit nicht eingesetzt wird, lässt sich später leichter „sozial gerechtfertigt“ entlassen. Besonders heikel ist dies, wenn der Arbeitgeber gezielt einen Mitarbeiter kaltstellt, um den Kündigungsschutz zu umgehen.

PC Durchsuchung am Arbeitsplatz rechtlich prüfen 👆

Reaktionsmöglichkeiten für Arbeitnehmer

Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen

Im ersten Schritt sollte immer versucht werden, ein Gespräch mit dem Arbeitgeber zu führen. Dabei ist es hilfreich, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und konkrete Fragen zu stellen – zum Beispiel nach dem Auswahlkriterium für die Kurzarbeit Null oder nach der Dauer der Maßnahme.

Arbeitsagentur informieren

Wenn der Verdacht besteht, dass Kurzarbeit missbräuchlich angewendet wird, kann die zuständige Agentur für Arbeit informiert werden. Die Agentur hat das Recht, die Voraussetzungen der Kurzarbeit zu überprüfen und bei Verstößen das Kurzarbeitergeld zu verweigern oder zurückzufordern.

Wichtig dabei: Der Arbeitgeber muss die tatsächliche Lage des Unternehmens gegenüber der Agentur korrekt darstellen. Wird eine Person willkürlich auf Kurzarbeit Null gesetzt, während andere in derselben Abteilung weiterarbeiten, könnte dies bereits als Täuschung der Behörde gewertet werden.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Wer sich effektiv wehren will, hat die Möglichkeit, eine sogenannte Leistungsklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Dabei wird geprüft, ob der Arbeitgeber weiterhin zur Lohnzahlung verpflichtet ist, weil die Kurzarbeit mangels wirksamer Vereinbarung unrechtmäßig eingeführt wurde.

Diese Klage ist besonders relevant, wenn kein Betriebsrat existiert und die Arbeitnehmer auf sich allein gestellt sind. Denn anders als häufig angenommen, prüft das Arbeitsgericht durchaus die sachliche Rechtfertigung einzelner Maßnahmen – insbesondere wenn Anhaltspunkte für eine Benachteiligung bestehen.

Rechtslage bei Abmahnungen und Aufhebungsvertrag

Wird Kurzarbeit Null mit früheren Abmahnungen oder Angeboten zum Aufhebungsvertrag verknüpft, kann dies zusätzlich den Eindruck erwecken, dass Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt wird. Solche „kumulativen Maßnahmen“ können bei einem Prozess negativ für den Arbeitgeber ausgelegt werden – besonders wenn die Abmahnungen inhaltlich zweifelhaft sind oder die Kurzarbeit wirtschaftlich nicht notwendig ist.

Abfindung Auszahlung Transfergesellschaft – Was gilt? 👆

Wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen

Einkommensverlust als Druckmittel?

Bei Kurzarbeit Null erhalten Beschäftigte nur rund 60 bis 67 Prozent des Nettolohns – das kann mehrere hundert Euro monatlich ausmachen. Wenn ein Arbeitgeber dies bewusst einsetzt, um unliebsame Mitarbeiter finanziell unter Druck zu setzen, spricht man von einem „finanziellen Aushungern“. Das mag kein juristischer Begriff sein – rechtlich aber sehr wohl relevant, wenn damit eine Kündigung provoziert oder erzwungen werden soll.

Urlaub, Rente und Sozialleistungen

Ein weiterer Punkt ist der Urlaubsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21) reduziert sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null anteilig. Auch Rentenansprüche können sinken, da das Kurzarbeitergeld nicht als vollwertiges Einkommen zählt. Wer zusätzlich Bürgergeld oder andere Leistungen benötigt, muss dies gesondert beantragen – was mitunter belastend ist.

Urlaub Brückentag Teilzeit: Muss ich Urlaub nehmen? 👆

Rechtlich prüfen lassen: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Sofort handeln oder abwarten?

Viele Betroffene zögern, rechtliche Schritte einzuleiten – aus Angst vor Konsequenzen oder weil sie die berufliche Zukunft im Unternehmen nicht gefährden wollen. Doch je länger gewartet wird, desto schwieriger wird es oft, nachträglich Ansprüche durchzusetzen.

Kurzarbeit Missbrauch sollte möglichst früh dokumentiert und – wenn nötig – juristisch geprüft werden. Hierbei kann bereits ein erstes anwaltliches Schreiben Wirkung zeigen, ohne dass es gleich zur Klage kommt. Falls dies nicht hilft, bleibt der Weg zum Arbeitsgericht offen.

Schüler stirbt nach Kopfverletzung im Sportunterricht Körperverletzung mit Todesfolge 👆

Fazit

Wenn ein Arbeitnehmer gezielt auf Kurzarbeit Null gesetzt wird, während andere im selben Betrieb weiterhin tätig sind, kann dies ein klarer Hinweis auf einen möglichen Kurzarbeit Missbrauch sein. Besonders problematisch wird es, wenn keine sachliche Begründung vorliegt oder wenn frühere Konflikte mit dem Arbeitgeber bereits auf eine Strategie der Verdrängung hindeuten. In solchen Fällen ist es entscheidend, die eigene Zustimmung zur Kurzarbeit zu überprüfen, die Arbeitsagentur zu informieren und notfalls juristische Schritte zu erwägen. Kurzarbeit soll dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen – nicht als Druckmittel zur Kündigungsprovokation missbraucht werden. Wer hier rechtzeitig handelt, schützt nicht nur sein Einkommen, sondern auch seine Würde als Arbeitnehmer.

Tariftreueregelung Pflege: Anspruch auf neue Lohnerhöhung? 👆

FAQ

Ist eine pauschale Zustimmung zur Kurzarbeit auch eine Zustimmung zur Kurzarbeit Null?

Nein, eine allgemeine Zustimmung zur Kurzarbeit reicht nicht aus, um Kurzarbeit Null rechtlich wirksam umzusetzen. Für die vollständige Freistellung von der Arbeit ist eine ausdrückliche Zustimmung erforderlich, da sie einen erheblichen Eingriff in das Arbeitsverhältnis darstellt.

Kann ich mich gegen Kurzarbeit Null auch ohne Klage zur Wehr setzen?

Ja, erste Schritte können ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber oder ein anwaltliches Schreiben sein. Auch eine Beschwerde bei der Agentur für Arbeit kann sinnvoll sein, wenn der Verdacht auf Kurzarbeit Missbrauch besteht.

Muss der Arbeitgeber die Kurzarbeit gegenüber der Agentur für Arbeit regelmäßig erneuern?

Ja, die Bewilligung von Kurzarbeitergeld gilt grundsätzlich für maximal 12 Monate. Danach muss der Arbeitgeber erneut einen Antrag stellen, wenn weiterhin Kurzarbeit erforderlich ist. Auch innerhalb dieses Zeitraums sind Änderungen mitzuteilen.

Bekomme ich mein volles Gehalt nachgezahlt, wenn sich herausstellt, dass die Kurzarbeit unrechtmäßig war?

Grundsätzlich ja. Wenn ein Gericht feststellt, dass die Kurzarbeit – insbesondere Kurzarbeit Null – nicht rechtswirksam eingeführt wurde, kann der Arbeitgeber verpflichtet werden, das volle Gehalt rückwirkend zu zahlen.

Ist Kurzarbeit Null auch bei Tätigkeiten möglich, die langfristig angelegt sind?

Nein. Kurzarbeit Null setzt voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, der vorübergehend ist. Für dauerhaft entbehrliche Tätigkeiten wäre eher eine betriebsbedingte Kündigung das richtige Mittel – nicht Kurzarbeit.

Muss ich mit einer Kündigung rechnen, wenn ich gegen Kurzarbeit vorgehe?

Ein rechtlich zulässiger Widerspruch gegen missbräuchliche Kurzarbeit darf nicht zu einer Kündigung führen. Sollte dies dennoch geschehen, kann eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden. Viele Kündigungen in solchen Fällen haben vor Gericht keinen Bestand.

Welche Rolle spielt die Agentur für Arbeit bei Kurzarbeit Missbrauch?

Die Agentur prüft die Anträge auf Kurzarbeit und kann bei Verdacht auf Missbrauch Ermittlungen einleiten. Bei nachgewiesenem Fehlverhalten kann sie die Zahlungen einstellen oder bereits gezahltes Kurzarbeitergeld zurückfordern.

Was passiert mit meinem Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null?

Nach geltender Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21) wird der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null anteilig gekürzt. Das heißt: Für Monate ohne Arbeitsverpflichtung entsteht kein Urlaubsanspruch.

Gilt der Verdacht auf Kurzarbeit Missbrauch auch bei kleinen Betrieben ohne Betriebsrat?

Gerade in kleineren Betrieben ohne betriebsrätliche Kontrolle besteht ein erhöhtes Risiko für Kurzarbeit Missbrauch. In solchen Fällen liegt es in der Verantwortung der einzelnen Arbeitnehmer, ihre Rechte aktiv zu verteidigen.

Wie oft darf mein Arbeitgeber mich in Kurzarbeit Null schicken?

Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und eine rechtswirksame Zustimmung vorliegt, kann Kurzarbeit mehrmals in Anspruch genommen werden. Allerdings muss jedes Mal geprüft werden, ob die Voraussetzungen im konkreten Fall tatsächlich gegeben sind. Ein willkürlicher Einsatz von Kurzarbeit ist nicht erlaubt – unabhängig davon, wie oft sie beantragt wird.

Krankheitsbedingte Ausbildungsunterbrechung: Kündigung? 👆
0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Notify of
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments