Versetzung ohne Zustimmung Betriebsrat erlaubt?

Versetzung ohne Zustimmung Betriebsrat – das klingt zunächst nach einem klaren Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte. Doch gerade im öffentlichen Dienst (ÖD) liegt die Lage oftmals anders, als viele denken. Was darf der Arbeitgeber, wann braucht es Zustimmung und was können Beschäftigte tun, wenn sie sich übergangen fühlen?

Versetzung im öffentlichen Dienst

Ein Mitarbeiter ist seit knapp fünf Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag ist die Tätigkeit an verschiedenen Standorten ausdrücklich geregelt. Vor Kurzem hat die Kommune ein weiteres Gebäude angemietet und nun soll er, im Gegensatz zu den technisch arbeitenden Kollegen, künftig fast ausschließlich in diesem neuen Gebäude arbeiten. Die Mitteilung kam nicht vom Vorgesetzten, sondern über den Flurfunk – angeblich zu seiner Entlastung. Doch der Betroffene vermutet eher eine Mobbing-Strategie und fragt sich nun: Darf der Arbeitgeber das einfach so durchziehen?

Arbeitsvertragliche Standortregelung

Da im Arbeitsvertrag bereits verschiedene Einsatzorte genannt sind, fällt diese neue Zuordnung in aller Regel unter das sogenannte Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das bedeutet: Eine offizielle Versetzung liegt streng genommen nicht vor, sondern lediglich eine organisatorische Zuweisung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Unterschied zwischen Versetzung und Umsetzung

Was viele nicht wissen: Juristisch ist nicht jede Änderung des Arbeitsortes automatisch eine „Versetzung“. Entscheidend ist, ob sich der Inhalt der Tätigkeit, die Eingruppierung oder die Dienststelle ändert. Bleibt all das gleich, spricht man häufig von einer „Umsetzung“. Und eine solche Umsetzung bedarf – laut Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 29. September 2004, 1 ABR 45/03) – keiner Zustimmung des Betriebsrats oder Personalrats.

Mögliche Mitbestimmungspflicht

Allerdings: Wenn der neue Einsatzort mit erheblichen Nachteilen oder Belastungen verbunden ist – etwa längere Fahrtwege oder soziale Isolation – kann eine Mitbestimmung durch den Betriebsrat (gemäß § 99 BetrVG oder bei Personalräten § 76 BPersVG) erforderlich sein. Hier kommt es sehr stark auf die konkreten Umstände an.

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Rechte und Möglichkeiten des Arbeitnehmers

Wenn die geplante Maßnahme als belastend empfunden wird oder Anzeichen für Mobbing vorliegen, gibt es Handlungsmöglichkeiten.

Informationspflicht des Arbeitgebers

Eine Änderung des Einsatzortes muss zumindest klar und offiziell kommuniziert werden. Dass der Betroffene es nur durch Kollegen erfährt, ist arbeitsrechtlich problematisch. Selbst wenn keine schriftliche Form vorgeschrieben ist, gebietet es das Gebot fairer Behandlung, dass eine solche Maßnahme offen und persönlich mitgeteilt wird.

Dokumentation von Mobbing-Verdachtsmomenten

Gerade wenn sich der Verdacht erhärtet, dass die Maßnahme einem Mobbing-Muster folgt, sollte unbedingt ein sogenanntes Mobbing-Tagebuch geführt werden. In diesem werden Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen und der genaue Hergang notiert. Dies kann im Fall rechtlicher Schritte entscheidend sein.

Widerspruch durch Personal- oder Betriebsrat?

Im Fall des öffentlichen Dienstes kommt es darauf an, ob das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) oder ein Landespersonalvertretungsgesetz greift. Denn diese Gesetze regeln, in welchen Fällen eine Versetzung der Zustimmung des Personalrats bedarf. Liegt eine echte Versetzung im Sinne des Gesetzes vor, ist die Zustimmung verpflichtend – andernfalls könnte die Maßnahme rechtswidrig sein.

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Juristische Definitionen im Kontext klären

Oft wird der Begriff „Versetzung“ im Alltag missverständlich verwendet. Doch in rechtlicher Hinsicht ist es wichtig, Begriffe korrekt zu differenzieren.

Definition nach § 95 Abs. 3 BetrVG

Das Betriebsverfassungsgesetz definiert eine Versetzung als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder dauerhaft oder länger als einen Monat andauert und mit einer erheblichen Änderung der Umstände einhergeht. Genau hier liegt der Knackpunkt: Ist der neue Einsatzort ein anderer Arbeitsbereich? Oder bleibt die Tätigkeit im Wesentlichen gleich?

Keine Mitbestimmung bei bloßer Umsetzung

Wenn keine wesentliche Änderung der Tätigkeit vorliegt, ist es keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber – gestützt auf sein Weisungsrecht gemäß § 106 GewO (Gewerbeordnung) – das Recht, den Arbeitsort anzupassen, solange dies im Rahmen des Arbeitsvertrags liegt.

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Relevante Gesetze und Rechtsprechung

Es hilft, die einschlägigen Rechtsgrundlagen und Urteile im Blick zu haben.

§ 106 GewO – Direktionsrecht des Arbeitgebers

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen.“ So heißt es in der Gewerbeordnung. Das gibt dem Arbeitgeber durchaus Spielraum – jedoch nicht unbegrenzt. Die Interessen des Arbeitnehmers müssen dabei angemessen berücksichtigt werden.

BAG, Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 101/07

In diesem Urteil stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass eine Umsetzung innerhalb des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereichs auch ohne Zustimmung zulässig ist, wenn sie nicht unbillig ist.

§ 99 BetrVG – Mitbestimmungsrecht bei Versetzungen

Wenn doch eine echte Versetzung im Raum steht, ist der Betriebsrat zu beteiligen. Fehlt diese Beteiligung, kann der Mitarbeiter sich an den Betriebsrat wenden und um Unterstützung bitten.

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Handlungsempfehlungen bei Unsicherheit

Was aber, wenn man nicht sicher ist, ob die Maßnahme korrekt war? Auch dann gibt es Optionen.

Gespräch suchen

Ein erster Schritt sollte immer ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten sein. Hier kann auch deutlich gemacht werden, dass die Maßnahme überraschend kam und der Wunsch nach einer offiziellen Kommunikation besteht.

Einschaltung des Personalrats

Falls ein Personalrat existiert, sollte dieser unbedingt informiert werden. Auch wenn kein formelles Mitbestimmungsrecht besteht, kann der Rat beratend tätig werden oder vermitteln.

Arbeitsgerichtliche Überprüfung

Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, kann notfalls eine Klärung durch das Arbeitsgericht erfolgen. Besonders bei Anzeichen von Mobbing oder willkürlichem Verhalten ist dies ein möglicher Weg.

Unterstützung durch Rechtsberatung

In komplexeren Fällen ist anwaltliche Beratung sinnvoll. Eine spezialisierte Kanzlei im Arbeitsrecht kann die genaue Situation analysieren und eine rechtssichere Einschätzung abgeben.

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Fazit

Die Frage, ob eine Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats zulässig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten – sie hängt maßgeblich vom konkreten Einzelfall ab. Handelt es sich lediglich um eine Umsetzung innerhalb vertraglich vereinbarter Standorte und ohne tiefgreifende Änderungen der Tätigkeit, kann der Arbeitgeber dies im Rahmen seines Direktionsrechts entscheiden. Kommt es jedoch zu einer erheblichen Veränderung des Arbeitsbereichs oder sind nachteilige Auswirkungen für den Arbeitnehmer erkennbar, kann das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. Personalrats greifen. Wer sich übergangen oder sogar gemobbt fühlt, sollte unbedingt eine rechtliche Prüfung anstoßen und die Unterstützung des Personalrats oder eines Fachanwalts für Arbeitsrecht in Anspruch nehmen. Denn auch im öffentlichen Dienst gilt: Fairness und transparente Kommunikation sind kein Luxus, sondern Pflicht.

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FAQ

Was gilt arbeitsrechtlich als Versetzung?

Eine Versetzung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft oder länger als einen Monat in einen anderen Arbeitsbereich versetzt wird, der mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist (§ 95 Abs. 3 BetrVG).

Wann braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats?

Bei echten Versetzungen im Sinne des BetrVG ist die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG erforderlich. Bei einfachen Umsetzungen oder Tätigkeitsverlagerungen im Rahmen des Direktionsrechts entfällt diese Pflicht.

Gilt das auch für den öffentlichen Dienst?

Im öffentlichen Dienst gelten je nach Bundesland das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) oder Landesgesetze. Diese können ähnliche oder abweichende Regelungen zur Mitbestimmung enthalten. Wichtig ist, ob die Maßnahme als Versetzung oder Umsetzung gewertet wird.

Ist eine Mitteilung durch Kollegen rechtlich zulässig?

Nein. Eine Änderung des Arbeitsortes sollte immer direkt durch den Arbeitgeber und nicht über den „Flurfunk“ erfolgen. Es besteht eine Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Beschäftigten.

Was kann ich tun, wenn ich die Maßnahme als Mobbing empfinde?

In diesem Fall sollte unbedingt ein Mobbingtagebuch geführt und der Personalrat oder eine Vertrauensperson eingebunden werden. Auch eine anwaltliche Beratung kann sinnvoll sein.

Ist eine schriftliche Anweisung erforderlich?

Zwar ist eine mündliche Weisung grundsätzlich wirksam, aber aus Beweisgründen und zur Rechtssicherheit sollte jede Änderung des Arbeitsorts schriftlich dokumentiert werden.

Kann ich die Versetzung ablehnen?

Wenn die Maßnahme rechtmäßig im Rahmen des Arbeitsvertrags und Direktionsrechts liegt, ist eine Ablehnung schwierig. Bei Zweifeln sollte jedoch geprüft werden, ob eine unbillige Benachteiligung vorliegt (§ 106 GewO).

Wie wirkt sich die Erwähnung mehrerer Standorte im Vertrag aus?

Wenn im Arbeitsvertrag verschiedene Standorte ausdrücklich genannt sind, stärkt das die Position des Arbeitgebers – allerdings nur im Rahmen der Zumutbarkeit und Gleichbehandlung.

Muss der Betriebsrat im öffentlichen Dienst beteiligt werden?

Nicht zwingend bei jeder Veränderung. Nur wenn eine Maßnahme als echte Versetzung gewertet wird, ist eine Zustimmung nach § 76 BPersVG notwendig.

Welche Rolle spielt das Direktionsrecht des Arbeitgebers?

Das Direktionsrecht (§ 106 GewO) erlaubt es dem Arbeitgeber, Arbeitsinhalt, -ort und -zeit im Rahmen des Arbeitsvertrags und billigen Ermessens festzulegen. Dieses Recht stößt jedoch an Grenzen, wenn berechtigte Interessen des Arbeitnehmers übergangen werden.

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