Befristete Versetzung Öffentlicher Dienst – ein scheinbar harmloser Vorgang, der jedoch zu massiven Unsicherheiten führen kann, wenn die Erprobung scheitert und die alte Stelle bereits anderweitig besetzt wurde. Was passiert dann mit dem betroffenen Mitarbeitenden? In diesem Beitrag gehen wir genau dieser Frage auf den Grund.
Befristete Versetzung nach interner Bewerbung
In einer kommunalen Verwaltung wurde eine neue Stelle der Entgeltgruppe EG10 geschaffen und zunächst intern ausgeschrieben. Ein langjähriger, unbefristet angestellter und schwerbehinderter Mitarbeiter aus der EG9a bewarb sich auf diese Stelle. Nach positiver Rückmeldung wurde ihm die neue Tätigkeit im Rahmen einer Versetzung übertragen – ausdrücklich befristet auf sechs Monate zur Erprobung. Während dieser Zeit erhielt er eine entsprechende Zulage nach TVöD.
Kurz vor Ablauf dieser sechs Monate dann der Schock: Der Arbeitgeber beurteilt die Erprobung als „nicht bestanden“. Die alte Stelle? Bereits neu besetzt. Die neue Position? Nach wie vor vorhanden, aber laut Arbeitgeber für den Kollegen „ungeeignet“.
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Führung auf Probe gemäß TVöD
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) kennt in § 32 die Möglichkeit der sogenannten „Führung auf Probe“. Diese gilt ausdrücklich für Führungsfunktionen. Ab Entgeltgruppe EG10 kann bereits eine Weisungsbefugnis ausreichen, um diese Regelung anzuwenden – auch wenn die Aufgaben auf den ersten Blick „nur“ sachbearbeitender Natur sind. In unserem Fall wäre die Anwendung also juristisch durchaus vertretbar.
Versetzungen und ihre Folgen
Nach § 4 Abs. 4 TVöD kann eine Versetzung erfolgen, wenn sich dadurch die Art der Tätigkeit nicht grundlegend ändert und der neue Arbeitsplatz tariflich gleichwertig ist. Bei einer Höhergruppierung mit befristeter Erprobung stellt sich jedoch die Frage, ob eine Rückkehr überhaupt möglich ist, wenn die vorherige Stelle dauerhaft neu besetzt wurde.
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Kein automatischer Anspruch auf Rückkehr
Auch wenn es menschlich verständlich wäre – ein rechtlicher Anspruch auf Rückkehr zur alten Stelle besteht grundsätzlich nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt klargestellt, dass ein solcher Anspruch nur dann besteht, wenn dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag oder in einer ergänzenden Versetzungsvereinbarung festgehalten wurde (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16).
Der Arbeitgeber hat Ermessensspielraum
Was bedeutet das konkret? Der öffentliche Arbeitgeber hat mehrere Optionen:
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Die EG10-Stelle wird aufgabentechnisch „heruntergestuft“, sodass der Kollege weiterhin dort tätig sein kann – allerdings ohne Anspruch auf EG10-Vergütung.
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Der Kollege wird auf eine andere freie Stelle mit EG9a-Vergütung versetzt.
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Es erfolgt eine „Zwangsverwaltung“ – das heißt: Die bisherige neue Stelle bleibt erhalten, aber der Mitarbeiter wird dort mit angepasstem Aufgabenprofil weiterbeschäftigt.
Weiterzahlung der alten Entgeltgruppe?
Hierbei kommt es stark auf den Inhalt der ursprünglichen Versetzungsverfügung an. Wurde dort die Zahlung der Zulage ausdrücklich nur für die Dauer der Erprobung zugesagt, entfällt sie danach wieder. Anspruch auf dauerhafte Höhergruppierung entsteht nur bei erfolgreicher Übernahme der neuen Aufgaben gemäß § 14 TVöD.
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Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Nach § 178 SGB IX muss die Schwerbehindertenvertretung bei jeder personellen Maßnahme beteiligt werden – auch bei Versetzungen und Rückstufungen. Erfolgt dies nicht, ist die Maßnahme bereits aus formalen Gründen angreifbar.
Kündigungsschutz und Fürsorgepflicht
Schwerbehinderte genießen besonderen Kündigungsschutz (§ 168 SGB IX). Auch wenn es in diesem Fall nicht um eine Kündigung geht, sind diese Schutzrechte in die Interessenabwägung einzubeziehen. Eine sozialverträgliche Lösung ist zwingend erforderlich – das bloße „Zurückstufen“ ohne Perspektive kann gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verstoßen.
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Ausschreibungspflicht im öffentlichen Dienst
Die Tatsache, dass die EG10-Stelle nur intern ausgeschrieben wurde, ist rechtlich zulässig – sofern die Dienstvereinbarungen oder innerbetriebliche Richtlinien dies zulassen. Dass jedoch die ursprüngliche EG9a-Stelle sofort unbefristet neu besetzt wurde, könnte Fragen nach dem Umgang mit Personalentwicklung und Risikomanagement im öffentlichen Dienst aufwerfen.
Organisationsverschulden des Arbeitgebers?
Einige Juristen sprechen in vergleichbaren Fällen von einem „Organisationsverschulden“ des Arbeitgebers: Wer eine Versetzung zur Probe anordnet, sollte eine Rückkehrmöglichkeit zumindest vorübergehend sichern. Auch die Gerichte haben in Einzelfällen die sofortige Neubesetzung der alten Stelle als unzulässig bewertet – etwa wenn keine Rückfalllösung angeboten wird (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.2010 – 14 Sa 5/10).
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Rechtsschutzmöglichkeiten prüfen
Falls die Erprobung formal nicht korrekt durchgeführt wurde oder die Versetzungsverfügung rechtlich angreifbar ist, empfiehlt sich die Einschaltung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht. Auch die Schwerbehindertenvertretung sollte aktiv beteiligt werden.
Vertrauensschutz geltend machen
Unter bestimmten Umständen kann sich der Mitarbeiter auf Vertrauensschutz berufen – insbesondere, wenn die Versetzung mit mündlichen Zusagen oder betrieblichen Gepflogenheiten verbunden war. Hierzu müsste jedoch ein konkreter Nachweis geführt werden.
Gleichbehandlung einfordern
Wenn andere Beschäftigte bei ähnlichen Situationen anders behandelt wurden, kann ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG geltend gemacht werden. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann unter Umständen greifen – etwa bei unklarer Ablehnung nach der Erprobung.
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Die befristete Versetzung im Öffentlichen Dienst kann – besonders bei einer Erprobung – zur rechtlichen Gratwanderung werden. Wird sie als gescheitert bewertet, ohne dass eine Rückkehroption zur alten Stelle besteht, stehen betroffene Beschäftigte schnell vor existenziellen Fragen. Klar ist: Ein Anspruch auf Rückversetzung existiert nicht automatisch. Doch auch der Arbeitgeber hat nicht völlig freie Hand – insbesondere dann, wenn Sonderrechte wie bei Schwerbehinderung greifen oder die Erprobung formal unzulänglich ablief. Wer also mit einer befristeten Versetzung im Öffentlichen Dienst konfrontiert ist, sollte die Bedingungen schriftlich fixieren, sich frühzeitig rechtlich beraten lassen und auf eine sorgfältige Dokumentation achten. Die Balance zwischen Personalentwicklung und Arbeitsplatzsicherheit verlangt mehr denn je präzise Kommunikation und rechtliche Klarheit.
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Was bedeutet eine befristete Versetzung im Öffentlichen Dienst?
Eine befristete Versetzung im Öffentlichen Dienst ist eine zeitlich begrenzte Übertragung einer höherwertigen Aufgabe, meist zur Erprobung der Eignung. Währenddessen erhält der Mitarbeitende oft eine Zulage, aber keine dauerhafte Höhergruppierung.
Kann die Erprobung ohne Angabe von Gründen als „nicht bestanden“ gewertet werden?
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber die Erprobung beenden, wenn er begründete Zweifel an der Eignung hat. Diese Entscheidung muss jedoch nachvollziehbar und schriftlich begründet sein – insbesondere, wenn die befristete Versetzung zur Herabstufung führt.
Habe ich nach einer gescheiterten Erprobung Anspruch auf Rückkehr auf meine alte Stelle?
Nein, ein solcher Anspruch besteht nur dann, wenn er vertraglich oder durch eine Versetzungsvereinbarung ausdrücklich zugesichert wurde. Ansonsten kann der Arbeitgeber frei disponieren, solange die neue Stelle tariflich gleichwertig ist.
Wie wirkt sich eine Schwerbehinderung auf eine befristete Versetzung aus?
Schwerbehinderte Mitarbeitende genießen besonderen Schutz. Die Schwerbehindertenvertretung muss zwingend beteiligt werden. Auch bei der Bewertung der Erprobung ist eine erhöhte Fürsorgepflicht zu beachten.
Muss eine höherwertige Stelle im öffentlichen Dienst ausgeschrieben werden?
Ja, in der Regel muss eine solche Stelle – zumindest intern – ausgeschrieben werden. Wird dies unterlassen, kann dies ein formaler Fehler sein, der rechtlich angreifbar ist.
Was passiert mit der Entgeltgruppe nach gescheiterter Erprobung?
Wenn die Versetzung ausdrücklich nur mit Zulage befristet war, fällt diese nach der Erprobung weg. Eine dauerhafte Höhergruppierung gibt es nur bei erfolgreicher Übernahme der neuen Aufgaben. Das Grundentgelt bleibt aber gemäß ursprünglicher Entgeltgruppe erhalten.
Welche rechtlichen Schritte kann ich bei einer gescheiterten Versetzung einleiten?
Betroffene sollten prüfen lassen, ob die Erprobung korrekt durchgeführt wurde. Bei formalen Mängeln oder Benachteiligung kann man sich auf das AGG oder den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist in solchen Fällen dringend zu empfehlen.
Kann der Arbeitgeber die Stelle einfach inhaltlich verändern?
Ja, er kann Aufgaben entfernen oder verändern, solange diese Änderung tariflich noch im Rahmen der ursprünglichen Entgeltgruppe liegt. Dies darf jedoch nicht willkürlich oder diskriminierend geschehen.
Was ist unter „Führung auf Probe“ im TVöD zu verstehen?
Laut §32 TVöD ist die Führung auf Probe bei Übernahme einer Führungsfunktion vorgesehen – häufig ab EG10. Auch bei sachbearbeitender Tätigkeit kann sie gelten, wenn Weisungsbefugnis besteht.
Wie oft darf eine befristete Versetzung im Öffentlichen Dienst erfolgen?
Es gibt keine starre Grenze. Entscheidend ist jedoch, dass der befristete Charakter transparent ist und nicht zur Umgehung tariflicher oder arbeitsrechtlicher Vorschriften missbraucht wird. Hier lohnt sich der genaue Blick in die Dienstvereinbarungen und den TVöD.
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