Wenn der Job als Schulbegleiterin mit dem Familienleben kollidiert, stehen Alleinerziehende oft vor schweren Entscheidungen. Besonders wenn der Arbeitgeber keine Rücksicht nimmt und sogar mit Kündigung droht. In diesem Beitrag schauen wir uns an, welche Rechte man in so einer Lage hat – und ob der Arbeitgeber das einfach so darf.
Schulbegleiterin erhält unzumutbares Angebot
Eine Schulbegleiterin, alleinerziehende Mutter, steht plötzlich unter enormem Druck. Ihr Arbeitgeber bietet ihr zwei verschiedene Einsätze mit jeweils 24 Wochenstunden an – doch beide Arbeitsstellen liegen so weit entfernt, dass sie täglich mindestens eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln müsste. Das Problem: Die Betreuung ihres Kindes ist zeitlich stark eingeschränkt. Der Arbeitgeber weiß davon – und sagt trotzdem: „Wenn es nicht passt, dann kündigen Sie.“
Das klingt nach Erpressung, nicht nach einem fairen Umgang. Aber ist es rechtlich zulässig? Genau hier beginnt die arbeitsrechtliche Einordnung – und es wird schnell klar, dass die Frage nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags entscheidend ist.
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Arbeitszeitregelungen prüfen
Zunächst ist wichtig zu klären, ob die im neuen Angebot vorgeschlagenen Arbeitszeiten im ursprünglichen Arbeitsvertrag abgedeckt sind. Ist dort etwa eine Kernarbeitszeit definiert, z. B. zwischen 8 und 12 Uhr, dann darf der Arbeitgeber die Mitarbeiterin nicht außerhalb dieser Zeiten einsetzen (§ 106 Satz 1 GewO – Weisungsrecht des Arbeitgebers).
Fehlen konkrete Zeitangaben im Vertrag, kann der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts flexibler agieren. Allerdings darf er dabei nicht gegen den Grundsatz der Zumutbarkeit verstoßen, insbesondere wenn persönliche Umstände wie alleinerziehende Elternschaft bekannt sind.
Einsatzorte und Versetzungsklauseln
Ähnlich entscheidend ist die Frage, ob der Einsatzort im Arbeitsvertrag festgelegt wurde. Wenn eine bestimmte Schule oder ein bestimmter Bezirk vertraglich vereinbart ist, dann kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres eine weit entfernte Einsatzstelle anordnen (§ 315 BGB – Billigkeitsprüfung).
Gibt es hingegen eine Versetzungsklausel, die auch entfernte Einsatzorte einschließt, ist die Sache komplizierter. Selbst dann muss aber geprüft werden, ob der Einsatz wirklich zumutbar ist – sowohl in zeitlicher als auch in familiärer Hinsicht.
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Schutz für alleinerziehende Arbeitnehmer
Alleinerziehende genießen keinen Sonderkündigungsschutz wie etwa Schwangere (§ 17 MuSchG) oder Schwerbehinderte (§ 168 SGB IX), aber ihre Situation kann arbeitsrechtlich dennoch relevant sein. Denn nach § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf persönliche Umstände Rücksicht zu nehmen – zumindest, wenn er davon weiß.
Wer Kinder allein betreut, hat zwar keinen pauschalen Anspruch auf bevorzugte Arbeitszeiten, kann aber in Gesprächen mit dem Arbeitgeber auf seine familiäre Situation hinweisen. Diese Argumente sind besonders relevant, wenn es um Versetzungen oder neue Arbeitszeiten geht.
Pflicht zur Kinderbetreuung und ihre arbeitsrechtliche Wirkung
In manchen Fällen kann die Pflicht zur Kinderbetreuung sogar eine Arbeitsverhinderung nach § 616 BGB darstellen – etwa, wenn ein Kind plötzlich krank wird. Aber auch dauerhaft kann sich daraus eine Unzumutbarkeit bestimmter Arbeitsbedingungen ergeben, wenn die Betreuung objektiv nicht anders zu organisieren ist.
Das bedeutet: Wenn die Arbeitnehmerin glaubhaft machen kann, dass die vorgeschlagenen Einsätze ihre Erziehungsverpflichtungen unzumutbar einschränken, kann sie sich dagegen wehren – mit Verweis auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB).
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Kündigungsandrohung als Druckmittel
Die Aussage des Arbeitgebers „Wenn es nicht passt, kündigen Sie“ stellt juristisch betrachtet eine sogenannte „Druckkündigung“ dar. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der der Arbeitgeber versucht, die Mitarbeiterin zur Eigenkündigung zu bewegen – um eine betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung zu vermeiden.
Solche Aussagen können im schlimmsten Fall sogar eine unzulässige Drohung nach § 123 BGB darstellen – was wiederum eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag anfechtbar machen würde.
Eigenkündigung: Risiken und Folgen
Wer unter Druck kündigt, verliert viele Rechte – z. B. auf Abfindung, Kündigungsschutzklage oder Arbeitslosengeld ohne Sperrfrist. Denn das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit verhängt in der Regel eine Sperrzeit von zwölf Wochen bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (§ 159 SGB III).
Deshalb ist es ratsam, niemals vorschnell selbst zu kündigen. Stattdessen sollte man zunächst prüfen lassen, ob der Arbeitgeber überhaupt zu dieser Änderung der Arbeitsbedingungen berechtigt ist – und ob die Anforderungen mit den vertraglich zugesicherten Regelungen übereinstimmen.
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Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen
Der erste Schritt sollte immer der Versuch einer einvernehmlichen Lösung sein. Wenn der Arbeitgeber informiert ist und die Belastungssituation kennt, aber dennoch stur bleibt, kann ein schriftlicher Widerspruch gegen die Zuweisung erfolgen.
Dabei sollte man konkret erklären, warum die angebotene Stelle nicht zumutbar ist – z. B. wegen der Betreuungszeiten des Kindes, der langen Anfahrtszeit oder fehlender ÖPNV-Verbindungen.
Rechtsberatung und Klageweg
Wenn das Gespräch nicht fruchtet, ist der Gang zum Fachanwalt für Arbeitsrecht empfehlenswert. Dieser kann prüfen, ob ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort besteht oder ob sogar eine Änderungskündigung angreifbar ist.
Wichtig ist: Die Änderung von Arbeitsbedingungen kann nur durch eine Änderungskündigung rechtsverbindlich durchgesetzt werden (§ 2 KSchG). Dabei muss der Arbeitgeber die bisherigen Bedingungen kündigen und neue anbieten – unter Einhaltung der Kündigungsfrist.
Die betroffene Arbeitnehmerin kann dieses Angebot unter Vorbehalt annehmen (§ 2 Satz 1 KSchG) und innerhalb von drei Wochen eine Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben (§ 4 Satz 2 KSchG).
Unterstützung durch das Jugendamt oder Sozialträger
Alleinerziehende haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf ergänzende Hilfen vom Jugendamt – z. B. in Form von Tagespflege oder Notfallbetreuung. Auch das kann eine Möglichkeit sein, den Job zu behalten, ohne in Konflikt mit der Kinderbetreuung zu geraten.
Gleichzeitig sollte man prüfen, ob ein Wechsel in eine andere Tätigkeit oder sogar in Teilzeit möglich ist. Nach § 8 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) haben Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Teilzeitarbeit – auch wenn der Arbeitgeber sich zunächst dagegen sperrt.
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Alleinerziehende, die als Schulbegleiterin arbeiten, stehen oft vor einer Zerreißprobe zwischen familiären Verpflichtungen und beruflichen Anforderungen. Wenn der Arbeitgeber trotz bekannter Betreuungszeiten auf entfernten Einsatzorten besteht und mit Kündigung droht, ist das kein rechtsfreier Raum. Das Arbeitsrecht schützt Arbeitnehmer vor unzumutbaren Änderungen – insbesondere dann, wenn diese nicht durch den Arbeitsvertrag gedeckt sind. Eine Schulbegleiterin muss lange Pendelzeiten nicht einfach hinnehmen, wenn sie dadurch ihre Erziehungspflichten vernachlässigen müsste. Entscheidend sind die Inhalte des Arbeitsvertrags sowie der Grundsatz der Zumutbarkeit. Wer unter Druck gesetzt wird, sollte keinesfalls vorschnell selbst kündigen, sondern rechtlichen Beistand suchen und gegebenenfalls den Weg der Änderungsschutzklage beschreiten. So kann man das Gleichgewicht zwischen Familie und Beruf wahren – auch im konfliktbehafteten Alltag als Schulbegleiterin.
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Muss ich als Schulbegleiterin jeden Einsatzort akzeptieren?
Nicht unbedingt. Wenn im Arbeitsvertrag ein bestimmter Einsatzort genannt ist, darf der Arbeitgeber Sie nicht ohne Weiteres woanders einsetzen. Schulbegleiterinnen sind nicht verpflichtet, jeden beliebigen Ort zu akzeptieren, vor allem nicht, wenn damit unzumutbare Fahrtzeiten verbunden sind.
Kann der Arbeitgeber mich zur Eigenkündigung drängen?
Nein, Druck zur Eigenkündigung ist rechtlich problematisch. Wenn Ihnen nahegelegt wird zu kündigen, weil Sie familiäre Verpflichtungen haben, kann das als unzulässige Druckkündigung gewertet werden. Eine Schulbegleiterin muss sich in solchen Situationen rechtlich absichern.
Welche Rolle spielt die Kinderbetreuung im Arbeitsrecht?
Kinderbetreuungspflichten sind kein direkter Kündigungsschutz, können aber bei der Bewertung der Zumutbarkeit von Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. Das gilt besonders für alleinerziehende Arbeitnehmer, deren zeitliche Kapazitäten begrenzt sind.
Darf ich einen neuen Einsatz ablehnen?
Das kommt darauf an, was im Vertrag geregelt ist. Gibt es keine Versetzungsklausel, kann ein entfernter Einsatz unzulässig sein. Ist eine solche Klausel enthalten, muss die Versetzung dennoch zumutbar sein – das betrifft auch die tägliche Pendelzeit.
Wie sollte ich vorgehen, wenn mir der neue Einsatz nicht passt?
Sprechen Sie zuerst mit dem Arbeitgeber. Reichen Sie notfalls schriftlich Ihre Einwände ein und suchen Sie rechtliche Beratung. Wichtig ist, nicht vorschnell selbst zu kündigen, sondern die arbeitsrechtlichen Mittel auszuschöpfen.
Was ist eine Änderungskündigung?
Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber den bisherigen Vertrag und bietet gleichzeitig neue Konditionen an. Diese können Sie unter Vorbehalt annehmen und dann innerhalb von drei Wochen eine Änderungsschutzklage einreichen.
Gibt es Unterstützung vom Jugendamt?
Ja, das Jugendamt kann alleinerziehende Schulbegleiterinnen mit Notfallbetreuung oder Tagespflege unterstützen. Auch solche Optionen sollten vor einer Kündigung geprüft werden.
Kann ich auf Teilzeit bestehen?
Unter bestimmten Voraussetzungen haben Sie nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz Anspruch auf Teilzeit. Dies kann helfen, Ihre familiären Aufgaben mit dem Job als Schulbegleiterin besser zu vereinbaren.
Was passiert, wenn ich selbst kündige?
Wenn Sie freiwillig kündigen, riskieren Sie eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Daher sollte eine Eigenkündigung nur als letzter Ausweg in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind.
Wie finde ich rechtliche Unterstützung?
Fachanwälte für Arbeitsrecht oder Gewerkschaften bieten hier kompetente Hilfe. Sie können den Arbeitsvertrag prüfen, rechtliche Schritte vorbereiten und Sie bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber begleiten.
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