Diskriminierung öffentliche Bewerbung: So klagen Betroffene erfolgreich

Wenn schwerbehinderte Bewerber trotz fachlicher Eignung von öffentlichen Stellen ausgeschlossen werden, liegt oft eine Diskriminierung nahe. Gerade bei Bewerbungen im öffentlichen Dienst stellt sich die Frage, ob eine gerichtliche Klage Aussicht auf Erfolg hat. In diesem Beitrag zeige ich anhand eines konkreten Falls, worauf es bei Diskriminierung öffentlicher Bewerbung ankommt und welche juristischen Schritte möglich sind.

Diskriminierung im Bewerbungsverfahren

Ein Bewerber mit Schwerbehinderung fühlt sich zu Unrecht übergangen. Obwohl er über ein gutes Dienstzeugnis aus früherer Tätigkeit verfügt und nach eigener Einschätzung sowie laut Rückmeldung aus seinem Umfeld fachlich geeignet ist, wird er abgelehnt. Besonders ärgerlich: In der Stellenausschreibung war diesmal nicht nur ein akademischer Abschluss gefordert, sondern auch eine „einschlägige vergleichbare Qualifikation“ zugelassen – ein Hinweis darauf, dass seine Bewerbung objektiv nicht ungeeignet war.

Kontext der Bewerbung im öffentlichen Dienst

Im konkreten Fall ging es um eine Stelle nach Entgeltgruppe E10 TVöD-Bund. Diese Positionen unterliegen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie dem Grundsatz der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG). Öffentliche Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Zudem sind sie verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung einzubeziehen.

Hinweise auf Benachteiligung

Auffällig war, dass die ausgeschriebene Stelle eine breitere Qualifikationsbasis zuließ als vergleichbare Angebote in der Vergangenheit. Dennoch wurde der Bewerber nicht eingeladen – obwohl er zumindest in einem ähnlichen Kontext bereits tätig war. Die Formulierung „einschlägige vergleichbare Qualifikation“ hätte ihm Spielraum geboten, doch offenbar wurde seine Bewerbung aussortiert. Ob die fachliche Eignung tatsächlich fehlte oder dies nur behauptet wurde, ist dabei ein zentraler Streitpunkt.

Zeitliche Fristen und rechtliche Schritte

Die Klagefrist nach § 15 Abs. 4 AGG beträgt zwei Monate ab Zugang der Ablehnung. Danach verfällt der Anspruch auf Entschädigung in der Regel. Es ist also entscheidend, rasch zu handeln – selbst wenn man zunächst noch überlegt, ob ein Gespräch mit der Behörde gesucht werden sollte. Denn ein vermeintlich „gutes“ Dienstzeugnis von 2010/2011 hat heute kaum noch Gewicht – viel entscheidender ist die aktuelle Passung.

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Voraussetzungen für eine Entschädigungsklage

Ob eine Diskriminierung vorliegt, lässt sich nicht immer leicht beweisen. Dennoch gibt es klare rechtliche Voraussetzungen und Standards, die helfen können, den Anspruch durchzusetzen.

Bedeutung der Vergleichsqualifikation

Der Begriff „einschlägige vergleichbare Qualifikation“ ist juristisch nicht exakt definiert, wird aber von Gerichten meist im Sinne einer praktischen Berufserfahrung gewertet. In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 14.11.2019, Az. 42 Ca 12276/19) wurde beispielsweise klargestellt, dass auch ein atypischer Bildungsweg unter bestimmten Umständen ausreichend sein kann, wenn die fachliche Eignung objektiv erkennbar ist.

Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber

Eine zentrale Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers ergibt sich aus § 165 Satz 3 SGB IX: Danach müssen schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, sofern sie nicht offensichtlich ungeeignet sind. Diese Einladungspflicht dient dem Schutz vor struktureller Benachteiligung. Unterbleibt die Einladung ohne triftigen Grund, wird dies oft als Indiz für eine Diskriminierung gewertet – mit dem Effekt, dass der Arbeitgeber in Beweiserklärungsnot gerät.

Rolle der Beweislastumkehr

§ 22 AGG sieht vor, dass der Bewerber Indizien für eine Diskriminierung vortragen muss. Diese müssen zwar keine Beweise sein, aber den Verdacht plausibel begründen. Ist das gelungen, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag. Gerade in Fällen, in denen die formalen Voraussetzungen bewusst weit gefasst waren, kann das für die öffentliche Stelle schwierig werden.

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Gerichtliches Verfahren und Streitwert

Ein Gerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht ist für Arbeitnehmer kostenfrei, solange kein Anwalt eingeschaltet wird. Doch wer eine Entschädigung einklagen möchte, sollte sich bewusst sein, worauf er sich einlässt.

Streitwert und Prozessrisiken

Der Streitwert richtet sich nach der geforderten Entschädigung. Bei einer Forderung von drei Bruttomonatsgehältern (hier E10 – z.B. ca. 3.700 € brutto monatlich) läge der Streitwert bei etwa 11.100 €. Bei einer Niederlage müsste der Kläger die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten der Gegenseite tragen – sofern diese anwaltlich vertreten ist.

Erfolgsaussichten realistischer einschätzen

Viele Betroffene hoffen auf ein Vorstellungsgespräch oder sogar eine Einstellung – doch diese Hoffnungen sind meist nicht realistisch. Sobald eine Absage erteilt wurde, ist die Stelle oft vergeben. Die Entschädigungsklage dient also nicht dazu, sich „hineinzuklagen“, sondern lediglich, den finanziellen Schaden auszugleichen. Das ist insbesondere wichtig für Bewerber, die nicht ernsthaft an einer Beschäftigung unter diesen Bedingungen interessiert wären.

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Rolle früherer Tätigkeiten und Zeugnisse

Vergangene Berufserfahrungen können hilfreich sein – aber sie müssen aktuell sein und in direktem Zusammenhang zur ausgeschriebenen Position stehen. Ein „gutes“ Dienstzeugnis von vor 15 Jahren hat leider kaum Gewicht, wenn es seither keine vergleichbare Tätigkeit gab.

Gerichtliche Einschätzung von Qualifikationen

Gerichte orientieren sich an der sogenannten objektiven Eignung. Dabei zählen aktuelle Erfahrungen oft mehr als frühere Tätigkeiten. In einem Urteil des LAG Hamm (Az. 15 Sa 1039/14) wurde betont, dass praktische Erfahrungen aus den letzten fünf Jahren besonders relevant seien. Eine Faustregel lautet daher: Drei Jahre Tätigkeit in den letzten fünf Jahren gelten häufig als „einschlägig“.

Bedeutung von Formulierungen in der Ausschreibung

Die Formulierung „einschlägige vergleichbare Qualifikation“ kann ein Türöffner sein – aber sie bedeutet nicht automatisch, dass jeder Quereinsteiger eine Chance hat. Entscheidend ist, wie gut die bisherigen Tätigkeiten zur ausgeschriebenen Stelle passen. Im Zweifel kann hier ein fachlicher Sachverständiger beauftragt werden.

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Alternative Wege zur Klärung

Nicht jede Benachteiligung muss vor Gericht enden. Es gibt auch andere Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuarbeiten und gegebenenfalls eine Entschädigung zu erhalten.

Das Gleichbehandlungsangebot nutzen

Manche Behörden bieten intern Mediation oder Aufklärungsgespräche an – etwa mit der Gleichstellungsbeauftragten oder dem Personalrat. Auch die Schwerbehindertenvertretung kann unterstützend tätig werden. Solche Gespräche bieten oft die Chance, Missverständnisse aufzuklären oder sogar außergerichtlich eine Einigung zu erzielen.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes einschalten

Die Antidiskriminierungsstelle bietet Betroffenen Unterstützung, wenn sie sich aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt fühlen. Sie kann keine Rechtsvertretung übernehmen, aber beratend tätig werden und zu weiteren Schritten raten. Wichtig ist, dass die Kontaktaufnahme innerhalb der Klagefrist erfolgt – also möglichst parallel zur rechtlichen Prüfung.

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Fazit

Wer sich bei einer öffentlichen Bewerbung trotz Schwerbehinderung und vergleichbarer Qualifikation übergangen fühlt, sollte genau hinsehen – und schnell handeln. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wie das AGG und das SGB IX bieten klare Schutzmechanismen. Doch ohne juristisches Vorgehen bleiben viele Diskriminierungsfälle unbeachtet. Die Fristen sind kurz, die Beweislast liegt zunächst beim Bewerber, aber bereits Indizien wie eine unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch können ausreichen, um eine Entschädigungsklage ins Rollen zu bringen. Eine Diskriminierung bei öffentlicher Bewerbung ist also kein Schicksal, das man einfach hinnehmen muss – sie lässt sich anfechten. Dabei geht es nicht um eine erzwungene Einstellung, sondern um finanzielle Wiedergutmachung für eine ungerechtfertigte Benachteiligung. Wer gut dokumentiert, strategisch plant und sich rechtzeitig beraten lässt, erhöht die Erfolgschancen deutlich.

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FAQ

Was bedeutet „Diskriminierung öffentliche Bewerbung“ genau?

Darunter versteht man, dass ein Bewerber aufgrund eines geschützten Merkmals – wie etwa einer Schwerbehinderung – bei der Vergabe einer öffentlichen Stelle benachteiligt wurde, obwohl er objektiv geeignet gewesen wäre.

Muss ich als schwerbehinderter Bewerber immer eingeladen werden?

Ja, nach § 165 Satz 3 SGB IX besteht eine Einladungspflicht, wenn keine offensichtliche Ungeeignetheit vorliegt. Wird diese Pflicht missachtet, kann das ein starkes Indiz für Diskriminierung sein.

Welche Frist gilt für die Entschädigungsklage?

Die Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Absage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Danach ist der Anspruch in der Regel verfallen.

Welche Erfolgsaussichten habe ich bei einer Klage?

Das hängt stark von den vorliegenden Indizien ab. Wird z. B. die Einladungspflicht verletzt oder die Stellenausschreibung bewusst offen formuliert, stehen die Chancen gut, dass eine Diskriminierung öffentliche Bewerbung anerkannt wird.

Wie hoch ist die mögliche Entschädigung?

In der Regel liegen die Entschädigungszahlungen zwischen einem und drei Bruttomonatsgehältern. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung zu § 15 AGG.

Welche Kosten entstehen bei einer Klage?

Vor dem Arbeitsgericht trägt jede Partei zunächst ihre eigenen Anwaltskosten. Die Gerichtskosten fallen erst bei Streitwerten über 500 € an, können aber bei höheren Forderungen schnell steigen.

Zählt ein altes Arbeitszeugnis als Qualifikation?

Ein 15 Jahre altes Zeugnis kann unterstützend wirken, reicht aber allein nicht aus, um aktuelle fachliche Eignung zu belegen. Gerichte orientieren sich eher an jüngerer Berufserfahrung.

Kann ich zur Einstellung gezwungen werden?

Nein. Eine Klage nach dem AGG zielt ausschließlich auf eine finanzielle Entschädigung, nicht auf eine Einstellung. Eine „Einklage“ in den Job ist nicht vorgesehen.

Ist Mediation eine sinnvolle Alternative?

Ja, vor allem im öffentlichen Dienst kann ein Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten oder der Schwerbehindertenvertretung helfen, Missverständnisse zu klären oder eine Einigung zu erzielen.

Was passiert, wenn ich die Frist versäume?

Dann ist eine Entschädigung wegen Diskriminierung öffentlicher Bewerbung in der Regel nicht mehr möglich. Umso wichtiger ist es, frühzeitig rechtliche Hilfe einzuholen.

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