Krankheitstage Berechnung Arbeitsrecht: Wenn Minus droht

Die richtige Berechnung von Krankheitstagen im Arbeitsrecht sorgt häufig für Verwirrung – besonders bei flexiblen Arbeitszeitmodellen. Ein Fall, bei dem Minusstunden trotz Krankschreibung entstehen, wirft viele rechtliche Fragen auf. Wie kann das sein und was sagt das Gesetz wirklich?

Krankmeldung mit Stundenabzug

In einem Betrieb mit variabler Schichteinteilung arbeitet eine Teilzeitkraft regelmäßig 30 Stunden pro Woche, verteilt auf fünf Tage. Das klingt zunächst unkompliziert, doch bei näherem Hinsehen wird klar: Die Arbeitszeiten sind unregelmäßig, es gibt keine feste Stundenzahl pro Tag, und die Einteilung erfolgt flexibel.

Eines Tages wird die Mitarbeiterin von Montag bis zum darauffolgenden Montag krankgeschrieben. Für diesen Zeitraum werden 30 Stunden gutgeschrieben, was der regulären Wochenarbeitszeit entspricht – alles korrekt. Einige Wochen später erfolgt eine weitere Krankmeldung, diesmal von Freitag bis Dienstag. Doch nun beginnt der Ärger: Der Arbeitgeber rechnet die Krankheitstage mit lediglich 5 Stunden pro Tag ab – weniger als die durchschnittlich gearbeiteten 6 Stunden. Gleichzeitig führt dies zu Minusstunden im Arbeitszeitkonto.

Warum wird dieselbe Krankheitsdauer in zwei Fällen so unterschiedlich bewertet? Und vor allem: Ist das überhaupt zulässig?

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Gesetzliche Grundlagen zur Entgeltfortzahlung

Bei Krankheit hat der Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts für bis zu sechs Wochen. Dabei gilt der Grundsatz: Es ist so zu vergüten, als hätte der Arbeitnehmer an den Krankheitstagen tatsächlich gearbeitet.

Maßgeblich ist die regelmäßige Arbeitszeit

Der Arbeitgeber darf also nicht willkürlich weniger Stunden ansetzen. Stattdessen muss die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit als Berechnungsgrundlage dienen. Dies ergibt sich auch aus § 4 Abs. 1 EFZG, wonach sich die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts nach dem „regelmäßigen Arbeitsentgelt“ bemisst – also dem, was sonst angefallen wäre.

Flexible Arbeitszeitmodelle: besondere Herausforderung

Bei flexiblen Arbeitszeiten ist die konkrete Zuordnung schwieriger. Das Gesetz hilft mit § 12 TzBfG weiter, wenn keine festen Tage oder Zeiten vereinbart sind. In solchen Fällen ist die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate maßgeblich – auch zur Berechnung bei Krankheit.

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Unterschiedliche Abrechnungen und ihre Folgen

Im geschilderten Fall wurde die erste Krankheitsphase korrekt behandelt. Bei der zweiten Krankschreibung jedoch werden täglich nur 5 Stunden anerkannt, obwohl die Mitarbeiterin durchschnittlich mehr gearbeitet hatte. Dadurch entstehen ungerechtfertigte Minusstunden – ein klarer Widerspruch zum EFZG.

Fehlende Planbarkeit führt zu Rechtsunsicherheit

Wenn keine dienstplanmäßige Arbeitszeit festgelegt wurde, darf der Arbeitgeber nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers pauschal kürzen. Entscheidend ist, was vertraglich geregelt und betrieblich üblich ist. Gibt es dazu keine klaren Angaben, greifen die gesetzlichen Fiktionen.

Arbeitsvertragliche Formulierungen oft zu vage

In dem hier zugrunde liegenden Fall enthält der Vertrag lediglich eine Regelung über 130 Stunden pro Monat bei variabler Einteilung. Eine konkrete Tages- oder Wochenarbeitszeit fehlt. Laut § 12 Abs. 1 TzBfG muss aber die wöchentliche Arbeitszeit festgelegt sein, sonst gilt automatisch eine 20-Stunden-Woche als vereinbart. Wenn die tatsächliche Arbeitszeit jedoch höher liegt, ist das problematisch – insbesondere bei der Krankheitsberechnung.

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Arbeit auf Abruf und die Rolle des Nachweisgesetzes

Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn der Arbeitgeber Arbeitszeiten flexibel und kurzfristig festlegt, handelt es sich arbeitsrechtlich oft um sogenannte „Arbeit auf Abruf“. Diese ist in § 12 TzBfG geregelt und unterliegt strengen Anforderungen.

Voraussetzungen für Arbeit auf Abruf

Arbeit auf Abruf setzt voraus, dass der Arbeitgeber bestimmte Referenztage und -stunden benennt. Tut er das nicht, darf er nicht einfach erwarten, dass der Arbeitnehmer spontan verfügbar ist. Der Arbeitnehmer wiederum muss nur innerhalb der vorab festgelegten Zeitfenster arbeiten – und auch nur dann, wenn die Ankündigung mindestens vier Tage vorher erfolgt.

Folgen bei fehlenden Vereinbarungen

Fehlen diese Angaben – wie im hier besprochenen Fall – liegt keine wirksame Vereinbarung über Arbeit auf Abruf vor. Daraus folgt: Der Arbeitgeber darf weder Minusstunden anrechnen noch das Entgelt für Krankheitstage willkürlich kürzen. Auch das Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 NachwG) verpflichtet den Arbeitgeber, über variable Arbeitszeiten genau zu informieren.

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Arbeitgeberpflichten bei Krankheit

Ein häufiger Irrtum ist, dass Arbeitgeber bei Krankheit nur das zahlen müssten, was sie für den Tag ursprünglich eingeplant hatten. Das ist falsch. Der Gesetzgeber verpflichtet dazu, die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Abrechnungszeitraum als Maßstab

Die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten 13 Wochen ist laut Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 21. November 2001 – 5 AZR 457/00) der richtige Maßstab zur Berechnung der Entgeltfortzahlung bei flexibler Einteilung. So wird verhindert, dass Minusstunden entstehen oder Arbeitnehmer benachteiligt werden.

Keine Schlechterstellung durch Krankheit

Auch § 615 Satz 3 BGB schützt Arbeitnehmer: Wer aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, nicht arbeiten kann – z. B. mangels Einsatzplanung – hat trotzdem Anspruch auf Vergütung. Das gilt erst recht bei Krankheit.

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Was tun bei fehlerhafter Berechnung?

Wer feststellt, dass ihm bei Krankheit zu wenige Stunden angerechnet wurden, sollte schnell reagieren. Denn neben dem Anspruch auf Korrektur droht auch langfristig ein Verlust von Lohn oder Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto.

Widerspruch gegen falsche Abrechnung

Zunächst empfiehlt es sich, die Abrechnung schriftlich zu beanstanden und auf die abweichende durchschnittliche Arbeitszeit hinzuweisen. Dazu können Zeiterfassungen oder Dienstpläne hilfreich sein, um die tatsächliche Arbeitszeit nachzuweisen.

Beratung durch Fachanwalt sinnvoll

Bei wiederholten Problemen kann auch eine arbeitsrechtliche Beratung sinnvoll sein. Ein Fachanwalt kann prüfen, ob eine fehlerhafte Vertragsgestaltung oder ein Verstoß gegen das TzBfG oder EFZG vorliegt – und gegebenenfalls Lohnnachforderungen durchsetzen.

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Vertragliche Gestaltung optimieren

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sollten auf klare Vereinbarungen achten, um Missverständnisse bei Krankheit zu vermeiden. Denn nur wenn eindeutig geregelt ist, wann und wie gearbeitet wird, lassen sich Fehler bei der Entgeltfortzahlung vermeiden.

Klare Regelung der Arbeitszeit

Empfehlenswert ist eine vertragliche Festlegung der Wochenarbeitszeit mit einer klaren Verteilung auf die Wochentage oder zumindest einer planbaren Schichtstruktur. Alternativ sollte die Gutschrift bei Krankheit klar geregelt sein, z. B. durch Bezug auf Durchschnittswerte.

Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge

Viele dieser Unsicherheiten lassen sich auch durch Betriebsvereinbarungen regeln. Wenn ein Tarifvertrag gilt, sind dort oft spezielle Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung, zur Gutschrift bei Krankheit und zur Arbeit auf Abruf enthalten.

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Fazit

Die korrekte Berechnung von Krankheitstagen bei flexibler oder variabler Arbeitszeit ist ein komplexes, aber enorm wichtiges Thema. Denn wer hier als Arbeitnehmer benachteiligt wird, verliert im schlimmsten Fall nicht nur Lohn, sondern auch Vertrauen in das Arbeitsverhältnis. Entscheidend ist: Der Arbeitgeber darf bei einer Krankmeldung keine pauschalen Stundensätze ansetzen, sondern muss sich an der realistisch zu erwartenden, regelmäßigen Arbeitszeit orientieren. Die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere im Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 4 EFZG) und Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 12 TzBfG), geben hierfür einen klaren Rahmen vor. Wer mit unklaren oder schwammigen Arbeitsverträgen arbeitet, riskiert rechtlich angreifbare Situationen – und genau da entstehen häufig Minusstunden, die eigentlich gar nicht zulässig wären. Gerade in Fällen, in denen die Krankheitstage unterschiedlich bewertet wurden, obwohl die Ausgangslage vergleichbar war, lohnt sich eine rechtliche Prüfung. Die genaue und rechtssichere Berechnung von Krankheitstagen im Arbeitsrecht ist nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch der Rechtskonformität.

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FAQ

Was bedeutet „Krankheitstage Berechnung Arbeitsrecht“ konkret?

Unter dem Begriff versteht man die rechtliche Regelung, wie viele Stunden im Krankheitsfall dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und wie viel Lohn gezahlt werden müssen. Maßgeblich ist dabei die regelmäßige Arbeitszeit, nicht eine willkürliche Pauschale.

Darf der Arbeitgeber bei Krankheit weniger Stunden als üblich anrechnen?

Nein. Nach § 4 EFZG muss so vergütet werden, als hätte die erkrankte Person wie geplant gearbeitet. Die Anrechnung geringerer Stunden führt häufig zu unzulässigen Minusstunden.

Was passiert, wenn keine wöchentliche Arbeitszeit im Vertrag steht?

Fehlt eine klare Regelung, greift § 12 Abs. 1 TzBfG. Dann gilt automatisch eine 20-Stunden-Woche als vereinbart – es sei denn, aus der tatsächlichen Praxis ergibt sich ein anderer Rhythmus.

Wie wirkt sich flexible Arbeitszeit auf die Entgeltfortzahlung aus?

Bei variabler Arbeitszeit wird die Entgeltfortzahlung laut § 12 Abs. 4 TzBfG auf Grundlage der durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten drei Monate berechnet. Das schützt Arbeitnehmer vor willkürlicher Kürzung.

Kann der Arbeitgeber Minusstunden wegen Krankheit anrechnen?

Grundsätzlich nicht. Krankheit darf nicht zu einer Schlechterstellung führen. Eine Minusstunde liegt nur dann vor, wenn ein vereinbartes Arbeitszeitkonto existiert – selbst dann aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Was zählt bei der Krankheit: Plan oder tatsächliche Arbeitszeit?

Entscheidend ist die geplante Arbeitszeit. Hat der Arbeitgeber keine verbindliche Planung erstellt, gilt der Durchschnitt der letzten Wochen als Referenzwert für die Berechnung.

Welche Rolle spielt das Nachweisgesetz?

Laut § 2 NachwG muss der Arbeitgeber über variable Arbeitszeiten, Referenzzeiten und Vorankündigungsfristen informieren. Fehlt diese Information, dürfen Arbeitnehmer die Arbeitsanweisung sogar verweigern.

Ist bei unklarer Regelung automatisch „Arbeit auf Abruf“ anzunehmen?

Wenn keine festen Zeiten vorliegen und nur ein monatliches Stundenkontingent vereinbart ist, spricht vieles dafür, dass es sich um „Arbeit auf Abruf“ handelt – auch wenn dieser Begriff nicht im Vertrag steht.

Wie kann ich mich gegen fehlerhafte Krankentage-Abrechnung wehren?

Zunächst sollte die Abrechnung schriftlich beanstandet werden. Hilfreich sind Nachweise über die durchschnittliche Arbeitszeit. Bei anhaltenden Problemen empfiehlt sich der Gang zum Fachanwalt.

Warum ist eine klare Regelung der Arbeitszeit so wichtig?

Eine saubere vertragliche Vereinbarung verhindert Rechtsstreitigkeiten bei Krankheit, Urlaub oder Minusstunden. Sie sorgt dafür, dass die „Krankheitstage Berechnung Arbeitsrecht“ transparent und rechtssicher erfolgt.

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