Arbeitsunfall Versetzung Abfindung: Was tun?

Ein schwerer Arbeitsunfall kann das ganze Berufsleben auf den Kopf stellen – vor allem, wenn man nicht mehr in den alten Beruf zurückkehren kann. Wenn der Betrieb keine alternative Stelle mehr hat, stellt sich schnell die Frage: Gibt es dann wenigstens eine Abfindung oder bleibt man am Ende leer aus?

Schwerer Arbeitsunfall – keine Rückkehr möglich

In dem hier besprochenen Fall schildert ein langjähriger Kraftfahrer, dass er nach einem schweren Arbeitsunfall dauerhaft nicht mehr als Fahrer arbeiten kann. Seit über 30 Jahren war er bei einer Spedition beschäftigt – doch die zuständige Filiale wurde vor zwei Jahren geschlossen. Andere Tätigkeiten gibt es im Unternehmen nicht mehr, lediglich die Fahrdienste sind geblieben. Eine Versetzung scheint damit ausgeschlossen. Der betroffene Mitarbeiter fragt sich nun: Muss er selbst kündigen? Hat er Anspruch auf eine Abfindung? Oder bleibt nur der Weg in die Erwerbsminderung?

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Keine Pflicht zur Versetzung ohne passende Stelle

Nach einem Arbeitsunfall stellt sich oft die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Beschäftigten eine alternative Tätigkeit anzubieten – insbesondere, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der ursprünglich vereinbarten Position arbeiten kann.

Grundsatz: Arbeitsvertragliche Tätigkeit

Rechtlich gesehen ist der Arbeitgeber zunächst nur verpflichtet, den Mitarbeiter entsprechend dem vertraglich vereinbarten Arbeitsbereich einzusetzen. Das bedeutet konkret: Ein Kraftfahrer wird als solcher beschäftigt – und nicht etwa als Bürokraft oder Werkstatthelfer. Wenn keine vertraglich passende Tätigkeit mehr vorhanden ist, entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit.

Keine Verpflichtung zur Schaffung neuer Stellen

Arbeitgeber sind grundsätzlich nicht verpflichtet, neue Stellen für gesundheitlich eingeschränkte Mitarbeiter zu schaffen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es innerhalb des Unternehmens bereits freie und geeignete Stellen gibt, auf die ein Wechsel ohne größeren Aufwand möglich ist. Im geschilderten Fall ist dies nicht gegeben – denn die Filiale mit möglichen alternativen Aufgabenbereichen wurde geschlossen.

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Was bedeutet das für die Kündigung?

Ein häufiger Trugschluss ist die Annahme, man müsse in so einem Fall selbst kündigen. Das ist aus rechtlicher Sicht nicht zu empfehlen.

Eigenkündigung vermeiden

Eine Eigenkündigung würde bedeuten, dass man freiwillig auf alle Ansprüche verzichtet – insbesondere auf eine eventuelle Abfindung oder auf Kündigungsschutz. Zudem kann eine Eigenkündigung zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen (§ 159 SGB III).

Arbeitgeberkündigung abwarten

Besser ist es daher, abzuwarten, ob der Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung ausspricht. Diese muss allerdings sozial gerechtfertigt sein (§ 1 Abs. 2 KSchG) und erfordert den Nachweis, dass der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Tätigkeit auszuüben.

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Anspruch auf Abfindung – realistisch oder nicht?

Viele Betroffene hoffen in solchen Situationen auf eine Abfindung – als finanzielle Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes. Doch der Anspruch darauf ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Keine gesetzliche Abfindungspflicht

Es gibt keinen generellen Anspruch auf eine Abfindung. Eine solche wird in der Regel nur gezahlt, wenn sie vertraglich vereinbart wurde, im Sozialplan geregelt ist oder im Rahmen eines Aufhebungsvertrags ausgehandelt wird. Eine gesetzliche Abfindungspflicht gibt es nur in Ausnahmefällen – z. B. bei einer betriebsbedingten Kündigung mit Abfindungsangebot (§ 1a KSchG).

Verhandlung möglich, aber schwierig

In der Praxis ist es zwar denkbar, dass ein Arbeitgeber freiwillig eine Abfindung anbietet, etwa um einen rechtssicheren Aufhebungsvertrag zu schließen. Gerade in kleinen oder mittleren Betrieben ist dies aber selten – insbesondere wenn es keine wirtschaftlichen Zwänge oder Kündigungsschutzklagen gibt.

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Alternativen zur Weiterbeschäftigung

Wenn weder eine Versetzung möglich noch eine Abfindung realistisch ist, bleibt die Frage, welche Alternativen es für Betroffene gibt.

Erwerbsminderungsrente prüfen

Wer infolge eines Arbeitsunfalls dauerhaft gesundheitlich eingeschränkt ist, sollte prüfen lassen, ob ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI besteht. Hierfür müssen bestimmte medizinische und versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein – insbesondere eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich.

Leistungen nach der Nahtlosigkeitsregelung

Wenn eine Erwerbsminderungsrente (noch) nicht bewilligt wurde, kann das sogenannte “Nahtlosigkeitsverfahren” helfen (§ 145 SGB III). Dabei erhalten Arbeitnehmer Arbeitslosengeld, auch wenn noch keine konkrete Vermittlungsfähigkeit besteht – z. B. während einer Reha oder beruflichen Neuorientierung.

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Betriebliche Wiedereingliederung

Nicht unerwähnt bleiben darf das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), das Arbeitgeber bei längerer Krankheit anbieten müssen (§ 167 Abs. 2 SGB IX).

Pflicht zur Prüfung anderer Einsatzmöglichkeiten

Im Rahmen des BEM muss geprüft werden, ob und wie der Mitarbeiter unter geänderten Bedingungen weiter beschäftigt werden kann – etwa durch technische Hilfsmittel, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitsplatzwechsel. Wenn aber, wie im Ausgangsfall, keine andere Einsatzmöglichkeit mehr existiert, entfällt diese Pflicht.

Keine Sanktion bei unterlassener Durchführung

Wird ein BEM nicht angeboten, hat das allein keine direkten Rechtsfolgen – etwa in Bezug auf Abfindungen oder Weiterbeschäftigung. Es kann aber bei einer späteren Kündigungsschutzklage zum Nachteil des Arbeitgebers gewertet werden.

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Sozialrechtliche Unterstützungsangebote

Gerade bei älteren Beschäftigten kurz vor dem Rentenalter ist auch der Blick auf sozialrechtliche Unterstützungsangebote wichtig.

Reha, Umschulung, Teilzeitmöglichkeiten

Auch wenn umfangreiche Umschulungen aufgrund des Alters nicht immer realistisch sind, gibt es dennoch Fördermöglichkeiten für kürzere Weiterbildungen – etwa den Erwerb eines Gabelstaplerscheins oder einer Qualifikation für leichte Lagertätigkeiten. Hier helfen die Agentur für Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung weiter.

Übergangsregelungen vor der Altersrente

In manchen Fällen kann auch ein gleitender Übergang in die Rente sinnvoll sein – z. B. durch Altersteilzeit oder den Bezug von ALG I mit gleichzeitiger Vorbereitung auf den Renteneintritt. Wichtig ist in jedem Fall eine frühzeitige Beratung, etwa bei einem Rentenberater oder der Agentur für Arbeit.

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Rolle der Berufsgenossenschaft

Wenn der gesundheitliche Schaden durch einen anerkannten Arbeitsunfall entstanden ist, kommt auch die Berufsgenossenschaft (BG) ins Spiel.

Verletztengeld und Unfallrente

Neben dem bekannten Verletztengeld (§ 45 SGB VII), das nach Ablauf der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber gezahlt wird, kann bei dauerhaften gesundheitlichen Schäden auch eine Unfallrente (§ 56 SGB VII) in Betracht kommen. Diese wird gezahlt, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 20 % beträgt.

Antragspflicht und Fristen

Diese Leistungen müssen aktiv beantragt und mit ärztlichen Gutachten belegt werden. Die Berufsgenossenschaft prüft dabei sehr genau – eine gute Dokumentation und rechtzeitige Antragstellung sind daher entscheidend.

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Fazit

Ein schwerer Arbeitsunfall stellt nicht nur die Gesundheit, sondern oft auch die gesamte berufliche Zukunft infrage. Besonders bitter wird es, wenn – wie im Fall des langjährigen Kraftfahrers – eine Versetzung aufgrund betrieblicher Umstrukturierungen unmöglich ist. Klar ist: Ein rechtlicher Anspruch auf eine Abfindung besteht in einem solchen Fall in der Regel nicht. Dennoch sollten Betroffene keinesfalls vorschnell selbst kündigen, denn damit verlieren sie wertvolle Rechte. Stattdessen lohnt es sich, die Möglichkeiten im Rahmen der Erwerbsminderung, der Nahtlosigkeitsregelung sowie etwaiger Leistungen der Berufsgenossenschaft sorgfältig zu prüfen. Wer frühzeitig Kontakt zu Arbeitsagentur, Rentenversicherung oder einem Anwalt aufnimmt, kann oft mehr erreichen, als auf den ersten Blick möglich scheint. Der Begriff Arbeitsunfall ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Anspruch auf eine Abfindung, aber er kann die Tür zu alternativen Wegen der Absicherung öffnen.

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FAQ

Muss ich nach einem Arbeitsunfall selbst kündigen?

Nein, eine Eigenkündigung ist nicht notwendig – und in den meisten Fällen auch nicht empfehlenswert. Sie verlieren damit möglicherweise Ansprüche auf Arbeitslosengeld und handeln sich eine Sperrzeit ein.

Habe ich Anspruch auf eine Abfindung nach einem Arbeitsunfall?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht grundsätzlich nicht. Eine Zahlung ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber sie freiwillig anbietet oder vertraglich geregelt ist.

Ist der Arbeitgeber verpflichtet, mir eine andere Stelle anzubieten?

Nur, wenn es im Betrieb eine geeignete und freie Stelle gibt, die Sie trotz gesundheitlicher Einschränkung ausüben können. Eine Verpflichtung, neue Stellen zu schaffen, besteht nicht.

Kann ich versetzt werden, wenn die Filiale geschlossen wurde?

In der Regel nicht. Eine Versetzung ist nur möglich, wenn an einem anderen Standort passende Aufgaben vorhanden sind und Sie dort arbeiten können und wollen.

Was ist die Nahtlosigkeitsregelung?

Sie ermöglicht den Bezug von Arbeitslosengeld auch dann, wenn man aus gesundheitlichen Gründen vorerst nicht vermittelbar ist – etwa in der Übergangszeit zur Erwerbsminderungsrente.

Welche Leistungen bietet die Berufsgenossenschaft nach einem Unfall?

Die Berufsgenossenschaft zahlt bei einem anerkannten Arbeitsunfall unter anderem Verletztengeld und bei dauerhafter Einschränkung unter Umständen eine Unfallrente.

Wann habe ich Anspruch auf Erwerbsminderungsrente?

Wenn Ihre Erwerbsfähigkeit dauerhaft auf weniger als sechs Stunden täglich gesunken ist, können Sie eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI beantragen.

Welche Rolle spielt das betriebliche Eingliederungsmanagement?

Dieses Verfahren soll helfen, nach längerer Krankheit wieder in den Betrieb zurückzukehren. Es besteht aber keine Verpflichtung zur Umsetzung, wenn keine realistischen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.

Was kann ich tun, wenn ich kurz vor der Rente stehe?

In solchen Fällen sollte geprüft werden, ob ein früherer Renteneintritt möglich ist oder Übergangslösungen wie Teilzeit oder Arbeitslosengeld genutzt werden können.

Gibt es Förderungen für Umschulungen oder Qualifizierungen?

Ja, auch für ältere Arbeitnehmer kann es Fördermöglichkeiten geben – etwa für kürzere Weiterbildungen wie einen Gabelstaplerschein. Entscheidend ist die Absprache mit der Agentur für Arbeit.

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