Degradierung im Job ist für viele Beschäftigte ein Schock, besonders wenn sie ohne formale Änderungskündigung umgesetzt wird. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche rechtlichen Grundlagen gelten, welche Schritte möglich sind und wie Betroffene ihre Rechte durchsetzen können.
Degradierung im Job als konkreter Fall
Ein Elektromonteur, der seit 2019 im Betrieb tätig war, übernahm ab 2020 die Funktion des Bauleiters. Nach einer längeren psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit wurde ihm bei der Wiedereingliederung die Rückkehr auf die Bauleiterstelle verwehrt. Stattdessen sollte er als Monteur arbeiten, jedoch mit gleichbleibendem Gehalt. Besonders brisant war, dass kein schriftliches Einverständnis seinerseits vorlag und gleichzeitig ein neuer Bauleiter eingestellt wurde. Rechtlich stellt sich hier die Frage, ob es sich um eine einseitige Vertragsänderung oder eine faktische Degradierung handelt.
Unterschied zwischen Vertragsinhalt und tatsächlicher Tätigkeit
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz, dass die vertraglich vereinbarte Tätigkeit bindend ist. Eine dauerhafte Abweichung vom Arbeitsvertrag setzt in der Regel eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG voraus. Wird ein Arbeitnehmer ohne Änderungskündigung auf eine andere Position zurückgestuft, spricht man von einer Degradierung. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn der Arbeitsvertrag eine sogenannte Versetzungsklausel enthält oder wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich zustimmt.
Bedeutung des BEM-Gesprächs
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX soll die Rückkehr nach längerer Krankheit erleichtern. Es darf aber nicht als Vorwand dienen, um den Arbeitsvertrag zu verändern. Eine einseitige Rückstufung im Rahmen eines BEM-Gesprächs ist unzulässig. Arbeitnehmer haben das Recht, in einem BEM-Gespräch frei zu entscheiden und können auch eine Bedenkzeit einfordern. Schweigen gilt nicht automatisch als Zustimmung, dennoch kann längeres widerspruchsloses Arbeiten auf der niedrigeren Position als stillschweigende Einwilligung gewertet werden.
Schriftliche Kündigung Frist einhalten 👆Rechtliche Grundlagen zur Degradierung
Die Degradierung im Job ist kein im Gesetz verankerter Begriff, sondern ergibt sich aus allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen. Nach § 611a BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, die vereinbarte Tätigkeit zuzuweisen. Eine dauerhafte Änderung setzt ein rechtmäßiges Verfahren voraus.
Direktionsrecht des Arbeitgebers
Nach § 106 GewO hat der Arbeitgeber zwar ein Weisungsrecht, dieses gilt jedoch nur im Rahmen der vertraglich vereinbarten Tätigkeit. Eine vorübergehende Zuweisung anderer Aufgaben kann zulässig sein, eine dauerhafte Rückstufung überschreitet aber in der Regel die Grenzen des Direktionsrechts.
Änderungskündigung als zwingender Weg
Wenn ein Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen dauerhaft ändern will, muss er eine Änderungskündigung aussprechen (§ 2 KSchG). Der Arbeitnehmer kann diese annehmen, ablehnen oder unter Vorbehalt akzeptieren und anschließend eine gerichtliche Prüfung nach § 4 KSchG beantragen. Liegt keine Änderungskündigung vor, sondern lediglich eine faktische Umsetzung, können Arbeitnehmer ihren ursprünglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung einklagen.
Letztes Gehalt nicht gezahlt – Ihre Rechte 👆Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer, die von einer Degradierung betroffen sind, haben verschiedene Optionen. Zunächst ist es sinnvoll, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Kommt es zu keiner Einigung, kann der Arbeitnehmer rechtliche Schritte einleiten.
Beschäftigungsklage beim Arbeitsgericht
Eine sogenannte Beschäftigungsklage richtet sich darauf, die ursprüngliche Stelle zurückzuerhalten. Das Gericht prüft, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht überschritten hat und ob eine Änderungskündigung erforderlich gewesen wäre. Dabei werden auch gesundheitliche Aspekte und die Zumutbarkeit der ursprünglichen Tätigkeit berücksichtigt.
Ansprüche auf Schadensersatz
Sollte durch die Degradierung ein finanzieller oder karriereschädigender Nachteil entstehen, können Arbeitnehmer unter Umständen Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies setzt jedoch voraus, dass ein klarer Vertragsverstoß des Arbeitgebers nachweisbar ist.
Minijobvertrag ohne feste Zeiten rechtlich möglich? 👆Rolle des Betriebsrats
Der Betriebsrat spielt bei Degradierungen eine wichtige Rolle. Nach § 99 BetrVG ist er bei personellen Einzelmaßnahmen zu beteiligen, wozu auch Versetzungen und Umgruppierungen gehören. Unterbleibt diese Beteiligung, ist die Maßnahme unwirksam. Auch wenn Arbeitnehmer mitunter Zweifel an der Neutralität des Betriebsrats haben, sollten sie dessen formale Rolle im Verfahren nicht unterschätzen.
Hilfe bei Freistellung verstehen 👆Verwirkung und Zeitfaktor
Ein zentraler Punkt ist die Frage der Verwirkung. Wenn ein Arbeitnehmer über längere Zeit hinweg widerspruchslos in der niedrigeren Position arbeitet, kann dies als stillschweigende Zustimmung gewertet werden. Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09) kann der Anspruch auf die ursprüngliche Tätigkeit verwirken, wenn der Arbeitnehmer längere Zeit untätig bleibt und der Arbeitgeber auf die Akzeptanz vertrauen durfte. Deshalb ist schnelles Handeln besonders wichtig.
Tariflich gestaffelte Kündigungsfrist verstehen 👆Praktische Tipps für Betroffene
Betroffene sollten ihre Situation rechtzeitig dokumentieren und alle Gesprächsprotokolle sowie interne Schreiben sichern. Wichtig ist auch, dass die Kommunikation mit dem Arbeitgeber nicht nur mündlich, sondern schriftlich erfolgt, um später klare Nachweise zu haben. Bei gesundheitlichen Einschränkungen sollte außerdem ein ärztliches Attest vorgelegt werden, das die Fähigkeit oder Unfähigkeit zur Ausübung der ursprünglichen Position beschreibt.
Kündigungsfrist TVöD Probezeit verstehen 👆Fazit
Eine Degradierung im Job stellt für Arbeitnehmer nicht nur eine persönliche Kränkung, sondern auch ein ernstzunehmendes arbeitsrechtliches Problem dar. Ohne eine formelle Änderungskündigung oder eine klare Zustimmung des Beschäftigten ist eine dauerhafte Rückstufung in der Regel unwirksam. Zwar kann es Fälle geben, in denen gesundheitliche Gründe eine Anpassung rechtfertigen, doch auch dann müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen wie § 106 GewO und § 2 KSchG beachtet werden. Wer eine Degradierung im Job erlebt, sollte nicht zu lange abwarten, sondern zeitnah rechtlichen Rat einholen und gegebenenfalls eine Beschäftigungsklage in Erwägung ziehen, um die eigenen Rechte zu sichern.
Abfindung Betriebsübergang rechtliche Fakten 👆FAQ
Was bedeutet Degradierung im Job rechtlich?
Degradierung im Job beschreibt die einseitige Rückstufung eines Arbeitnehmers auf eine niedrigere Position, obwohl im Arbeitsvertrag eine höherwertige Tätigkeit vereinbart ist.
Kann der Arbeitgeber ohne Änderungskündigung degradieren?
Nein, eine dauerhafte Änderung der Tätigkeit erfordert eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthält eine klare Versetzungsklausel.
Spielt das Direktionsrecht des Arbeitgebers eine Rolle?
Ja, nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Aufgaben innerhalb des Vertragsrahmens ändern. Eine Degradierung, die über diesen Rahmen hinausgeht, ist jedoch nicht zulässig.
Welche Rolle spielt das BEM bei einer Rückstufung?
Das BEM dient der Wiedereingliederung nach Krankheit und darf nicht genutzt werden, um Arbeitnehmer dauerhaft schlechterzustellen. Änderungen bedürfen einer rechtlichen Grundlage.
Was kann ich tun, wenn ich schon lange in der niedrigeren Position arbeite?
Wer längere Zeit widerspruchslos in der neuen Funktion tätig ist, läuft Gefahr, dass eine Verwirkung angenommen wird. Daher sollte frühzeitig gehandelt werden.
Kann ich meinen ursprünglichen Arbeitsplatz einklagen?
Ja, durch eine Beschäftigungsklage beim Arbeitsgericht können Arbeitnehmer ihren Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung durchsetzen.
Habe ich Anspruch auf Schadensersatz nach einer Degradierung?
Ein Schadensersatzanspruch kann bestehen, wenn durch die Degradierung ein messbarer finanzieller oder beruflicher Nachteil entstanden ist.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat?
Der Betriebsrat muss bei Versetzungen und Umgruppierungen beteiligt werden. Ohne seine Zustimmung ist eine Degradierung rechtlich anfechtbar.
Wie schnell sollte ich gegen eine Degradierung vorgehen?
Am besten sofort, da längeres Abwarten als stillschweigende Zustimmung gewertet werden kann. Eine rechtzeitige anwaltliche Beratung ist hier entscheidend.
Kann eine Degradierung gesundheitlich begründet sein?
Ja, aber auch dann darf sie nicht einseitig erfolgen. Der Arbeitgeber muss eine rechtliche Grundlage schaffen, beispielsweise durch eine Änderungskündigung.
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