Urlaubsanspruch Langzeiterkrankung ist ein Thema, das viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen beschäftigt. Oft herrscht Unsicherheit darüber, ob während einer langen Krankheit Urlaub entsteht und wann dieser verfällt. Wer hier die rechtlichen Grundlagen kennt, kann spätere Streitigkeiten vermeiden und seine Ansprüche klar durchsetzen.
Fallbeispiel Langzeiterkrankung und Urlaub
Ein konkreter Fall macht die rechtliche Problematik besonders deutlich. Ein Büroangestellter erkrankt im Jahr 2023 schwer und ist seitdem dauerhaft arbeitsunfähig. Vor Beginn seiner Krankheit hatte er bereits einen Teil seines Jahresurlaubs genommen, der Rest blieb offen. Der Arbeitgeber ist nun mit der Frage konfrontiert, ob weiterhin Urlaubsansprüche entstehen und ob diese auch nach mehreren Jahren noch bestehen bleiben. Genau hier prallen unterschiedliche Auffassungen aufeinander: Manche vertreten die Ansicht, dass Urlaub nach 15 Monaten verfällt, andere wiederum sehen einen dauerhaften Anspruch, solange keine Belehrung durch den Arbeitgeber erfolgt.
Unterschiedliche Auffassungen in der Praxis
Die Praxis zeigt, dass Arbeitgeber häufig versuchen, Urlaubsansprüche von Langzeiterkrankten abzuwehren. Dabei ist rechtlich klar, dass Urlaub grundsätzlich auch während einer Krankheit entsteht. Allerdings kann er nicht genommen werden, solange die Arbeitsunfähigkeit besteht. Erst mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit kann der Arbeitnehmer Urlaub beantragen. Eine Auszahlung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist ausgeschlossen, sie kommt nur beim Ende des Arbeitsverhältnisses in Betracht.
Beförderung Schreiben Tätigkeitsbereich – 3 Fakten 👆Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Basis bildet das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dieser Anspruch entsteht unabhängig von der gesundheitlichen Situation. Allerdings verweist § 7 Abs. 3 BUrlG darauf, dass der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss und spätestens 15 Monate nach Ablauf verfällt.
BAG-Urteil von 2022
Besonders wichtig ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 245/19). Danach verfällt der Urlaub spätestens 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig war. Selbst wenn der Arbeitgeber keine Belehrung über den drohenden Verfall ausgesprochen hat, ist der Anspruch damit zeitlich begrenzt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich arbeitsfähig wird – auch nur für kurze Zeit. In diesem Fall könnte er den Urlaub tatsächlich nehmen.
Zwei Teilzeitstellen Behörden – 3 Fakten 👆Konflikt Urlaub und Krankheit
Urlaub und Krankheit schließen sich im juristischen Sinne aus. Urlaub bedeutet eine Befreiung von der Arbeitspflicht, Krankheit führt jedoch bereits zu einer Suspendierung dieser Pflicht. Eine “doppelte Befreiung” gibt es nicht. Daher kann ein dauerhaft erkrankter Arbeitnehmer keinen Urlaub im klassischen Sinne beantragen, solange er nicht wieder arbeitsfähig ist.
Krankengeld und Urlaubsentgelt
Eine oft übersehene Konstellation ist die Frage nach Krankengeld und Urlaubsentgelt. Bezieht ein Arbeitnehmer Krankengeld von der Krankenkasse, ruht dieser Anspruch während des Urlaubs, da dann der Arbeitgeber Urlaubsentgelt zahlt. Theoretisch könnte also ein Langzeiterkrankter Urlaub nehmen und damit das Krankengeld unterbrechen. In der Praxis ist dies jedoch kaum umsetzbar, da eine bestehende Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt ist und während dieser Zeit ein Urlaubsantritt ausgeschlossen bleibt.
Kündigung Mutterschutz Anspruch – 5 wichtige Fakten 👆Handlungspflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Viele Betroffene fragen sich, was sie konkret tun müssen, um ihre Ansprüche nicht zu verlieren. Für den Arbeitnehmer gilt: Während der Dauer einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit kann er faktisch nichts unternehmen, um Urlaub geltend zu machen. Der Arbeitgeber wiederum muss seine Hinweispflicht erfüllen, also seine Mitarbeiter rechtzeitig auf den drohenden Verfall der Urlaubstage hinweisen. Tut er das nicht, könnte in bestimmten Konstellationen der Verfall gehemmt sein – allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer das ganze Urlaubsjahr und darüber hinaus bis zum 31. März des übernächsten Jahres krank war.
Bedeutung für die Praxis
In der Realität bedeutet dies, dass Langzeiterkrankte meist nur dann von offenen Urlaubsansprüchen profitieren, wenn sie innerhalb der 15-Monatsfrist ihre Arbeitsfähigkeit zumindest vorübergehend zurückerlangen. Dann können sie ihren Resturlaub noch einfordern. Andernfalls verfällt der Anspruch automatisch. Für Arbeitgeber bedeutet dies eine gewisse Rechtssicherheit, da sie nicht über Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln müssen.
Widerspruch Betriebsübergang Insolvenz – 3 Fakten 👆Fazit
Der Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung bleibt ein komplexes Thema, das viele Unsicherheiten mit sich bringt. Grundsätzlich entsteht Urlaub auch während einer Arbeitsunfähigkeit, jedoch kann er nicht genutzt werden, solange die Krankheit andauert. Nach aktueller Rechtsprechung verfällt der Anspruch in der Regel spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres, sofern keine kurzfristige Rückkehr in die Arbeitsfähigkeit erfolgt. Für Arbeitnehmer bedeutet das, dass ein Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung nur dann realisierbar wird, wenn innerhalb dieser Frist eine Genesung eintritt. Arbeitgeber wiederum sind verpflichtet, ihre Hinweis- und Aufklärungspflichten einzuhalten, um spätere Konflikte zu vermeiden.
Krank und Fristlose Kündigung – 5 Fakten 👆FAQ
Verfällt der Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung automatisch?
Nein, automatisch verfällt er nicht. Nach der Rechtsprechung verfällt er erst nach 15 Monaten, gerechnet ab Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist.
Kann ein Arbeitnehmer während der Krankheit Urlaub nehmen?
Während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit ist Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinn nicht möglich, da die Arbeitspflicht ohnehin suspendiert ist.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer nach längerer Krankheit wieder gesund wird?
Wird der Arbeitnehmer innerhalb der 15-Monatsfrist wieder arbeitsfähig, kann er den Resturlaub aus der Krankheit davor noch beantragen und nutzen.
Ist eine Auszahlung von Urlaub während des Arbeitsverhältnisses erlaubt?
Nein, das Bundesurlaubsgesetz erlaubt eine Abgeltung von Urlaub nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Welche Rolle spielt die Hinweispflicht des Arbeitgebers?
Der Arbeitgeber muss Beschäftigte rechtzeitig darauf hinweisen, dass Urlaub verfällt. Unterlässt er dies, könnte ein Anspruch bestehen bleiben – jedoch nicht, wenn durchgehende Arbeitsunfähigkeit vorlag.
Zählt Zusatzurlaub für Schwerbehinderte bei Langzeiterkrankung ebenfalls?
Ja, auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte unterliegt denselben Regelungen und kann verfallen, wenn er nicht innerhalb der Frist genommen wird.
Kann ein Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch trotz Krankengeld nutzen?
Theoretisch ruht das Krankengeld während des Urlaubs, da der Arbeitgeber Urlaubsentgelt zahlt. Praktisch ist dies aber kaum möglich, da Urlaub und Krankheit rechtlich nicht zusammenfallen können.
Was passiert mit Urlaubsansprüchen, wenn die Krankheit viele Jahre dauert?
In diesem Fall verfällt der Urlaub regelmäßig nach den 15 Monaten. Es entsteht zwar jedes Jahr ein neuer Anspruch, dieser geht jedoch wieder verloren, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft krank bleibt.
Welche gerichtlichen Entscheidungen sind hier besonders wichtig?
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 245/19) klargestellt, dass die 15-Monatsfrist auch bei Langzeiterkrankung gilt.
Kann ein Arbeitgeber freiwillig Urlaub auszahlen, um Streit zu vermeiden?
Rein rechtlich ist das nicht möglich, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Eine Auszahlung wäre nur beim Ausscheiden aus dem Unternehmen erlaubt.
Branchenmindestlohn Gebäudereinigung 2025 – 3 Fakten 👆