Arbeiten während Krankschreibung – diese Kombination sorgt regelmäßig für Unsicherheit bei Arbeitnehmern. Besonders dann, wenn jemand während einer laufenden Krankschreibung einen Tag arbeitet und danach wieder ausfällt, stellt sich die Frage: Ist das überhaupt erlaubt? Und wenn ja, was muss man beachten, um keinen Ärger zu bekommen?
Rechtliche Einordnung der Krankschreibung
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist kein Arbeitsverbot. Sie stellt lediglich fest, dass der Arbeitnehmer nach ärztlicher Einschätzung krankheitsbedingt nicht zur Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten in der Lage ist. Doch genau an diesem Punkt beginnt die juristische Grauzone.
Rückkehr an den Arbeitsplatz trotz AU
Grundsätzlich darf eine arbeitsunfähige Person jederzeit freiwillig wieder arbeiten, wenn sie sich dazu imstande fühlt. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Krankschreibung aufgehoben ist. Wer beispielsweise mitten in der Krankschreibung zur Arbeit erscheint, gibt damit aber unter Umständen ein starkes Signal: Nämlich, dass die Arbeitsunfähigkeit aus ärztlicher Sicht womöglich nicht mehr besteht.
Widerspruch zur ärztlichen Einschätzung?
Genau hier liegt das Problem. Die AU gilt so lange, wie sie ausgestellt wurde – es sei denn, der behandelnde Arzt widerruft sie oder es liegt eine neue gesundheitliche Bewertung vor. Kommt jemand trotz AU zur Arbeit, ohne dies ärztlich abklären zu lassen, kann das im schlimmsten Fall als Widerspruch zur ärztlichen Diagnose gewertet werden. Für den Arbeitgeber kann das Vertrauen erschüttert sein – ein späteres „Wieder-krank-Feiern“ wirkt in diesem Kontext besonders heikel.
Vergleich nach Kündigung: Was bleibt noch offen? 👆Konsequenzen bei erneuter Krankschreibung
Die Frage, ob jemand nach einem freiwilligen Arbeitstag innerhalb der AU-Zeit erneut krankgeschrieben werden kann, ist juristisch nicht eindeutig geklärt. Doch ein paar Dinge lassen sich sagen.
Neue Arbeitsunfähigkeit erfordert neue Bescheinigung
Gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) muss jede neue Krankheit mit einer neuen AU-Bescheinigung nachgewiesen werden – unabhängig davon, ob es sich um dieselbe oder eine andere Erkrankung handelt. Wenn Herr X also am Feiertag arbeitet und danach wieder zu Hause bleibt, müsste er rein rechtlich erneut zum Arzt und eine neue AU vorlegen.
Arbeitgeber kann misstrauisch werden
Auch wenn juristisch vieles erlaubt ist, stellt sich immer die Frage nach der praktischen Wirkung. Arbeitgeber könnten an der Ernsthaftigkeit der Erkrankung zweifeln, besonders wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne Rücksprache erfolgt ist. Im schlimmsten Fall drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung – oder bei wiederholtem Verhalten sogar eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG.
Unzulässige Austauschkündigung befristet prüfen 👆Unfall während der AU-Arbeit
Ein besonders brisanter Punkt ist die Frage, was passiert, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitstags in der AU-Zeit einen Unfall hat. Hier kommt die gesetzliche Unfallversicherung ins Spiel.
Unfallversicherung und Arbeitgeberverantwortung
Laut § 8 SGB VII sind Arbeitsunfälle nur dann versichert, wenn sie im Rahmen einer „versicherten Tätigkeit“ passieren. Wenn jemand trotz AU arbeitet, kann das problematisch werden – vor allem, wenn der Arbeitgeber nicht informiert war. Die Berufsgenossenschaft könnte im Schadensfall prüfen, ob der Arbeitgeber fahrlässig gehandelt hat, indem er eine arbeitsunfähige Person arbeiten ließ.
Risiko für den Arbeitnehmer?
Für den Arbeitnehmer selbst besteht grundsätzlich kein Versicherungsrisiko, wenn der Arbeitgeber über den Einsatz informiert war. Wurde aber eigenmächtig gehandelt, also ohne Wissen des Arbeitgebers gearbeitet, kann es auch für den Arbeitnehmer problematisch werden – sowohl versicherungsrechtlich als auch arbeitsrechtlich.
Geldwerter Vorteil Dienstwagen bei Krankheit erklärt 👆Rolle der Arbeitgeberkommunikation
Einer der zentralen Kritikpunkte im Fall von Herrn X ist die mangelnde Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Wer ohne Absprache während einer Krankschreibung arbeitet, riskiert nicht nur Missverständnisse, sondern auch Vertrauen.
Informationspflicht gegenüber dem Arbeitgeber
Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht, den Arbeitgeber über ein vorzeitiges Zurückkehren zur Arbeit zu informieren. Aber im Rahmen der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB – Rücksichtnahmepflicht) ist eine solche Mitteilung dringend anzuraten. Schließlich dient sie der betrieblichen Organisation, der rechtssicheren Arbeitszeitdokumentation und der Gefahrenvermeidung.
Dokumentation im Stundennachweis
In Herrn X’ Fall war der Arbeitseinsatz im Stundennachweis ersichtlich. Auch das kann zu Problemen führen: Wenn die Personalabteilung oder der Vorgesetzte erst aus der Zeiterfassung erfährt, dass eine arbeitsunfähige Person anwesend war, wirkt das wie ein Geheimnis. Das Vertrauen kann dadurch massiv beschädigt werden – mit möglichen Folgen für zukünftige Personalentscheidungen.
Wettbewerbsverbot ohne Tätigkeit wirksam? 👆Bewertung durch die Rechtsprechung
Es existieren keine eindeutigen höchstrichterlichen Urteile, die jeden Einzelfall dieser Art abschließend regeln. Trotzdem gibt es Tendenzen in der Rechtsprechung, die man kennen sollte.
Entscheidung des BAG zur AU und Arbeitsantritt
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 19. Februar 1997 (Az. 5 AZR 83/96) klargestellt, dass ein Arbeitnehmer, der während einer bestehenden AU zur Arbeit erscheint, nicht automatisch das Recht auf Entgeltfortzahlung verliert. Allerdings können sich arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben, wenn durch widersprüchliches Verhalten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der AU entstehen.
Glaubwürdigkeit und Wiederholungsgefahr
Die Gerichte prüfen im Streitfall immer das Verhalten im Gesamtkontext. Wenn der Arbeitnehmer regelmäßig während einer AU zur Arbeit erscheint und danach wieder „krank“ ist, kann sich daraus eine erhebliche Belastung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Arbeitgeber haben dann gute Gründe, arbeitsrechtliche Schritte zu prüfen – bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung.
TVÖD Überstunden abfeiern erzwingen erlaubt? 👆Praktische Empfehlungen für Arbeitnehmer
Was also tun, wenn man sich mitten in einer Krankschreibung wieder arbeitsfähig fühlt, aber sich nicht ganz sicher ist?
Vorher Rücksprache mit dem Arzt halten
Es empfiehlt sich, den behandelnden Arzt zu konsultieren und – wenn möglich – die AU offiziell zu beenden. Das ist nicht zwingend, aber aus rechtlicher Sicht der sicherste Weg.
Arbeitgeber unbedingt informieren
Wenn man dennoch arbeiten möchte, sollte man den Arbeitgeber aktiv informieren. Am besten schriftlich oder zumindest per E-Mail. So schafft man Transparenz und verhindert spätere Missverständnisse.
Neue AU rechtzeitig besorgen
Sollte sich am Folgetag wieder eine Verschlechterung einstellen, ist eine neue AU zwingend notwendig. Ohne diese könnte der Lohnanspruch für diesen Zeitraum entfallen – und das Vertrauen des Arbeitgebers wäre erneut auf dem Spiel.
Arbeitsverhältnis gekündigt Krankheit Urlaub erklärt 👆Fazit
Die Frage, ob das Arbeiten während Krankschreibung zulässig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten – es kommt entscheidend auf das Verhalten des Arbeitnehmers und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber an. Wer trotz bestehender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitet, zeigt damit zwar, dass er sich wieder belastbar fühlt, bewegt sich aber juristisch auf dünnem Eis – vor allem, wenn er danach erneut ausfällt. Das kann sowohl für den Lohnanspruch als auch für das Arbeitsverhältnis erhebliche Folgen haben. Sicher ist: Wer arbeiten will, sollte vorher mit dem Arzt und dem Arbeitgeber sprechen. Eine offene Kommunikation schützt vor Missverständnissen und rechtlichen Konsequenzen. Denn gerade beim Thema „Arbeiten während Krankschreibung“ gilt: Transparenz schafft Vertrauen – und spart im Zweifel auch Ärger.
Fristlose Kündigung Folgen rechtlich erklärt 👆FAQ
Muss ich dem Arbeitgeber mitteilen, wenn ich während der Krankschreibung arbeiten möchte?
Ja, unbedingt. Auch wenn das Gesetz keine ausdrückliche Mitteilungspflicht vorsieht, ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) die Verpflichtung, den Arbeitgeber zu informieren. Ansonsten drohen Misstrauen und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Maßnahmen.
Darf ich einfach zur Arbeit gehen, wenn ich mich wieder gesund fühle?
Grundsätzlich ja. Die Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot. Wer sich wieder arbeitsfähig fühlt, kann auch arbeiten – sollte aber ärztlich prüfen lassen, ob dies medizinisch sinnvoll ist. Wer ohne Rücksprache handelt, riskiert jedoch Probleme, vor allem wenn er danach wieder ausfällt.
Was passiert, wenn ich nach einem Arbeitstag erneut krankgeschrieben werde?
Dann benötigen Sie eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, da die ursprüngliche AU durch Ihre Rückkehr zur Arbeit praktisch beendet wurde. Gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ist für jeden neuen Krankheitsfall eine frische Bescheinigung erforderlich – auch bei derselben Erkrankung.
Bin ich bei einem Unfall während der AU-Arbeit versichert?
Das hängt davon ab, ob der Arbeitgeber vom Arbeitseinsatz wusste. Ist das der Fall, greift in der Regel der gesetzliche Unfallversicherungsschutz (§ 8 SGB VII). Wurde jedoch ohne Wissen des Arbeitgebers gearbeitet, kann es zu Problemen mit der Berufsgenossenschaft kommen.
Kann mein Arbeitgeber mir kündigen, wenn ich trotz AU arbeite?
Im Einzelfall ja. Vor allem, wenn durch widersprüchliches Verhalten – etwa kurzfristiges Arbeiten während Krankschreibung mit anschließendem erneuten Ausfall – der Eindruck entsteht, dass die AU missbraucht wurde. In solchen Fällen ist sogar eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG denkbar. Zwei Mal „Arbeiten während Krankschreibung“ ohne klare Absprache könnte also zu einer echten Gefahr für den Job werden.
Fehlende Tätigkeiten Arbeitszeugnis: Beweise? 👆