Arbeitgeber neuer Vertrag Eingruppierung – plötzlich liegt ein neues Papier auf dem Tisch, mit einer niedrigeren Entgeltgruppe als vorher. Obwohl die Aufgaben gleich bleiben, sinkt die Bewertung. Klingt unfair? Genau so hat sich ein Betroffener im Bauwesen gefühlt, und diese Geschichte könnte auch für andere viel bedeuten.
Systemwechsel und neue Eingruppierung
In vielen Unternehmen erfolgt derzeit eine tarifliche Angleichung – auch bei bislang ausgelagerten Tochterfirmen mit eigenen Haustarifen. Arbeitgeber schließen sich großen Tarifverträgen wie dem TVöD an, was strukturelle Umstellungen notwendig macht.
Übergang zum öffentlichen Tarif
Wird ein neuer Tarifvertrag eingeführt, müssen alte Strukturen in die neuen übertragen werden. Das klingt zunächst nach einer Formalie, führt aber oft zu handfesten Änderungen: Neue Stellenbeschreibungen, neue Entgeltgruppen, neue Erwartungen. Genau hier liegt das Problem.
Beispiel aus dem Bauwesen
Ein Diplom-Ingenieur, tätig in der Projektsteuerung, erhält einen neuen Arbeitsvertrag mit einer um zwei Stufen niedrigeren Entgeltgruppe – obwohl er exakt dieselben Aufgaben wie zuvor erledigt. Die bisherige Eingruppierung beruhte auf wissenschaftlicher Qualifikation, die neue aber orientiert sich an Fachschulniveau.
Teamzuordnung Änderung Arbeitsvertrag: Was gilt? 👆Neue Entgeltgruppe trotz gleicher Tätigkeit
Die zentrale Frage: Darf der Arbeitgeber das überhaupt? Und was bedeutet das arbeitsrechtlich?
Eingruppierung nach Tarifrecht
Nach § 611a BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit angemessen zu vergüten. Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen ergibt sich die Entgeltgruppe aus den Tätigkeitsmerkmalen, wie sie der Tarifvertrag vorsieht – im TVöD beispielsweise nach § 12 TVöD.
Wenn die Aufgaben identisch bleiben, muss die Eingruppierung im neuen Tarif eigentlich gleichwertig sein. Eine systematische Herabstufung, obwohl die Tätigkeit unverändert bleibt, kann gegen das tarifliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen.
Rechtlicher Spielraum und Bewertung
In der Praxis ist es jedoch nicht ungewöhnlich, dass bei der Umstellung auf einen neuen Tarifvertrag auch Stellen neu bewertet werden. Dabei kommt es auf die formale Stellenbeschreibung an – und hier kann der Arbeitgeber Gestaltungsspielraum nutzen, was schnell zur „Down-Eingruppierung“ führt, obwohl das Aufgabenniveau gleich bleibt.
Kündigung Tarifvertrag Arbeitsrecht – Ihre Rechte 👆Handlungsmöglichkeiten für Beschäftigte
Wer sich in dieser Situation wiederfindet, sollte nicht vorschnell unterschreiben oder einfach schlucken, was man vorgesetzt bekommt.
Arbeitsvertrag unter Vorbehalt unterschreiben
Ein häufiger Gedanke: Kann man den neuen Arbeitsvertrag „unter Vorbehalt“ unterschreiben? Grundsätzlich ja – aber das muss ausdrücklich und schriftlich erfolgen. Dabei ist eine Formulierung notwendig wie: „Ich unterschreibe diesen Vertrag unter dem Vorbehalt, dass die Eingruppierung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit entspricht.“
Achtung: Nicht jeder Arbeitgeber akzeptiert das. Und arbeitsrechtlich ist ein solcher Vorbehalt keine Garantie, später eine Höhergruppierung einklagen zu können.
Zwischenzeugnis und Marktwert prüfen
Ein kluger Schritt, wie im geschilderten Fall: Ein qualifiziertes Zwischenzeugnis anfordern. So sichern Sie Ihre Leistung und Position vor der Umstellung. Wer weiß – vielleicht sind Ihre Qualifikationen andernorts mehr wert, als man Ihnen intern vermitteln möchte.
Kein Betriebsrat – keine Kontrolle
In dem vorliegenden Fall gibt es keinen Betriebsrat – das ist ein strukturelles Problem. Ein Betriebsrat könnte solche Umgruppierungen prüfen und begleiten (§ 99 BetrVG). Ohne ihn bleibt es am Einzelnen, sich zu informieren und notfalls rechtlich beraten zu lassen.
Kündigungsfrist gesetzlich Arbeitnehmer verstehen 👆Psychologische Komponente nicht unterschätzen
Viele Betroffene berichten: Nicht die Gehaltssumme ist das größte Problem, sondern die gefühlte Entwertung. Es wirkt wie ein Misstrauensvotum gegen die eigene Expertise. Gerade wenn Fachwissen und Berufserfahrung jahrelang das Fundament waren.
Transparente Kommunikation fehlt oft
Oft erklären Arbeitgeber nicht klar, warum die neue Eingruppierung erfolgt. Statt echter Angleichung wirkt es wie ein Rebranding alter Strukturen – mit billigem Anstrich. Ein paar Euro mehr auf dem Lohnzettel können das Gefühl, „herabgestuft“ worden zu sein, nicht aufwiegen.
Wertschätzung durch korrekte Bewertung
Tarifliche Eingruppierung ist nicht nur ein Zahlenwerk. Sie ist Ausdruck dessen, was jemand kann und leistet. Wird das Gefühl vermittelt, dass Qualifikationen nichts mehr zählen, sinkt die Motivation – und das Vertrauen ins Unternehmen gleich mit.