Arbeitgeber rechnet zu wenig Stunden – Ihre Rechte im Bereitschaftsdienst

Arbeitgeber rechnet zu wenig Stunden – genau das passiert derzeit vielen Minijobbern im Bereitschaftsdienst. Auch wenn man nachts schläft, gilt Anwesenheit nicht automatisch als Freizeit. Warum solche Abrechnungen rechtlich oft angreifbar sind und was Sie konkret dagegen tun können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Rechtliche Grundlagen zur Arbeitszeit

In dieser ersten inhaltlichen Sektion geht es um die arbeitsrechtliche Definition von Bereitschaftsdienst, wie sich Arbeitszeit im Minijob berechnet und welche gesetzlichen Regelungen dafür greifen.

Was zählt als Arbeitszeit?

Grundsätzlich gilt laut § 2 Abs. 1 ArbZG jede Zeit, in der der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen muss, als Arbeitszeit. Beim Bereitschaftsdienst – etwa nachts im Pflegebereich oder in sozialen Einrichtungen – ist man physisch anwesend und muss im Notfall sofort eingreifen können. Auch wenn man dabei schlafen darf, liegt laut Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 29.06.2016 – 5 AZR 716/15) grundsätzlich eine vergütungspflichtige Arbeitszeit vor, da die Freiheit, den Aufenthaltsort selbst zu bestimmen, eingeschränkt ist.

Abweichungen durch Tarifverträge

Aber Achtung: Viele Träger im Sozialbereich wenden spezielle Tarifverträge an, zum Beispiel die AVR Caritas oder der TVöD. Diese können regeln, dass lediglich ein Teil der Bereitschaftszeit als volle Arbeitszeit angerechnet wird. Das ist zulässig, sofern der Mindestlohn (§ 1 MiLoG) eingehalten wird und der Arbeitnehmer informiert wurde. Fehlt eine solche Vereinbarung im Arbeitsvertrag, könnte die Kürzung der Arbeitszeit rechtswidrig sein.

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Häufige Probleme in der Praxis

Viele Betroffene berichten, dass sie trotz voll erbrachter Präsenzzeiten plötzlich Minusstunden aufbauen. Das führt zu weniger Gehalt, obwohl sie ihrer Arbeit ordnungsgemäß nachgehen.

Reduzierte Stunden ohne Info

Im geschilderten Fall wird plötzlich nur noch ein Teil der Nachtschicht vergütet – nämlich 7,25 statt 9,75 Stunden. Das geschieht ohne schriftliche Vereinbarung oder Information. Ein solches Vorgehen ist nicht nur unfair, sondern verstößt häufig gegen arbeitsrechtliche Grundsätze. Denn nach § 611a BGB hat der Arbeitgeber die Pflicht zur vollständigen Vergütung der vereinbarten Arbeitszeit, solange keine gültige Änderungsvereinbarung getroffen wurde.

Minusstunden trotz voller Anwesenheit

Minusstunden setzen voraus, dass die geschuldete Leistung tatsächlich nicht erbracht wurde. Wer aber gemäß Schichtplan vor Ort ist, erfüllt seine Pflichten. Wenn der Arbeitgeber die Stunden einfach reduziert, obwohl der Mitarbeiter präsent war, kann das unzulässig sein. Ohne vertragliche Änderung oder betriebliche Vereinbarung (BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2) ist das nicht durchsetzbar.

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Was Arbeitnehmer konkret tun können

Wenn Sie betroffen sind, gibt es verschiedene Schritte, wie Sie sich zur Wehr setzen können – am besten mit etwas rechtlicher Unterstützung im Rücken.

Arbeitsvertrag und Tarif prüfen

Als Erstes sollten Sie Ihren Arbeitsvertrag und eventuelle Tarifverträge gründlich durchsehen. Gibt es eine Klausel, die eine abweichende Berechnung der Bereitschaftszeit vorsieht? Falls nicht, muss die volle Zeit vergütet werden. Dabei lohnt sich auch ein Blick in den Schichtplan: Gibt es dort einen schriftlichen Nachweis über die 9,75 Stunden?

Zeiterfassung protokollieren

Führen Sie ein eigenes Protokoll über Ihre Arbeitszeit und senden Sie es regelmäßig an den Arbeitgeber, am besten per E-Mail mit Lesebestätigung. So schaffen Sie Beweise für den Fall, dass es später zu einem Rechtsstreit kommt. Auch das Bundesarbeitsgericht betont immer wieder, wie wichtig eine ordentliche Zeiterfassung ist (BAG, Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21).

Anspruch schriftlich geltend machen

Weisen Sie den Arbeitgeber förmlich darauf hin, dass Sie mit der Kürzung der Stunden nicht einverstanden sind. Fordern Sie die volle Vergütung Ihrer geleisteten Arbeitszeit schriftlich ein. Sollte keine Einigung erzielt werden, kann die Einschaltung des Betriebsrats oder einer Gewerkschaft sinnvoll sein.

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Besondere Aspekte beim Minijob

Gerade im Rahmen von 520-Euro-Jobs (ehemals 450-Euro-Basis) ist der Spielraum begrenzt – sowohl was die Arbeitszeit als auch das Einkommen betrifft.

Auswirkungen auf Verdienstgrenze

Wenn Ihnen regelmäßig Stunden gestrichen werden, kann es sein, dass Sie unter der erlaubten Verdienstgrenze bleiben – obwohl Sie mehr gearbeitet hätten. Das benachteiligt nicht nur finanziell, sondern kann auch Einfluss auf Rentenansprüche und Krankenversicherung haben. Hier sollten Sie unbedingt prüfen lassen, ob die Anstellung überhaupt noch im Rahmen des Minijobs zulässig ist.

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Wird weniger gezahlt als tatsächlich gearbeitet wurde, entstehen Lücken in der Sozialversicherung. Das kann sich langfristig negativ auswirken. Wenn der Arbeitgeber regelmäßig zu wenig Stunden abrechnet, könnte das sogar ein Fall für die Deutsche Rentenversicherung sein – etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung.

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Wann juristische Hilfe sinnvoll ist

In vielen Fällen reicht ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber. Doch manchmal ist rechtliche Unterstützung unumgänglich – besonders wenn der Arbeitgeber uneinsichtig bleibt oder sich auf zweifelhafte Tarifverträge beruft.

Erste Beratung durch Fachanwalt

Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann schnell einschätzen, ob ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz oder den Arbeitsvertrag vorliegt. Schon eine außergerichtliche Beratung oder ein anwaltliches Schreiben zeigt oft Wirkung. Laut § 12a ArbGG müssen Sie in erster Instanz keine Anwaltskosten erstatten, was das finanzielle Risiko senkt.

Klage beim Arbeitsgericht

Sollte keine Einigung erzielt werden, bleibt der Weg zum Arbeitsgericht. Dabei wird geprüft, ob der Arbeitgeber gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 EFZG) oder gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat. Häufig reicht es schon aus, den Anspruch einzuklagen, um eine außergerichtliche Lösung zu erzielen.

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Fazit

Wenn der Arbeitgeber zu wenig Stunden anrechnet, obwohl eine durchgehende Anwesenheitspflicht besteht, handelt es sich oft um mehr als nur ein Rechenfehler – es kann ein klarer Verstoß gegen das Arbeitsrecht vorliegen. Besonders im Bereitschaftsdienst sind viele Beschäftigte betroffen, da die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit nicht immer eindeutig ist. Doch wer 9,75 Stunden vor Ort sein muss, erfüllt damit in aller Regel auch die vertragliche Pflicht. Ohne ausdrückliche Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag darf die Stundenanzahl nicht einfach reduziert werden. Arbeitgeber, die zu wenig Stunden anrechnen, verletzen nicht nur die Fürsorgepflicht, sondern auch die gesetzliche Vergütungspflicht. Deshalb sollten Betroffene ihre Arbeitszeiten dokumentieren, den Vertrag prüfen und bei Bedarf juristische Hilfe in Anspruch nehmen – es lohnt sich.

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FAQ

Zählt Bereitschaftsdienst vollständig zur Arbeitszeit?

Ja, in der Regel schon. Wenn Sie verpflichtet sind, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten – auch wenn Sie schlafen dürfen –, gilt dies arbeitsrechtlich als Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht hat dies mehrfach bestätigt.

Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber zu wenig Stunden abrechnet?

Zuerst sollten Sie Beweise sichern, also ein eigenes Arbeitszeitprotokoll führen. Anschließend sollten Sie das Gespräch suchen und – falls nötig – rechtliche Schritte einleiten. In vielen Fällen reicht ein anwaltliches Schreiben, um den Arbeitgeber zum Einlenken zu bewegen.

Ist ein Tarifvertrag immer maßgeblich?

Nicht unbedingt. Ein Tarifvertrag kann von gesetzlichen Regelungen abweichen, darf aber die Rechte der Arbeitnehmer nicht komplett aushebeln. Auch bei Anwendung eines Tarifvertrags muss mindestens der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden.

Kann mein Arbeitgeber rückwirkend die Stunden kürzen?

Nur, wenn dies vertraglich vereinbart wurde – zum Beispiel durch eine Klausel im Arbeitsvertrag oder durch eine betriebliche Regelung. Ohne Ihre Zustimmung ist eine solche Änderung in der Regel unwirksam.

Lohnt sich eine Klage, wenn Arbeitgeber zu wenig Stunden anrechnet?

Wenn es regelmäßig passiert, ist eine Klage oft der einzige Weg, zu Ihrem Recht zu kommen. Sie können vor dem Arbeitsgericht auch ohne Anwalt klagen, was das finanzielle Risiko senkt. Besonders bei wiederholten Verstößen sollten Sie nicht zögern, Ihre Ansprüche geltend zu machen.

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