AU via Videotelefonie: Muss der Arbeitgeber das akzeptieren?

AU via Videotelefonie – die moderne Art der Krankschreibung hat sich längst etabliert. Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber plötzlich sagt: „Ab jetzt nur noch in Präsenz!“ Ist das überhaupt erlaubt? Genau das schauen wir uns heute näher an.

Rechtliche Einordnung der Video-AU

Die Diskussion rund um die AU via Videotelefonie entzündet sich am Konflikt zwischen moderner Telemedizin und den Erwartungen konservativer Arbeitgeber. Gerade in Pflegeberufen, wo Vertrauen und Einsatzfähigkeit zentrale Rollen spielen, kommt es schnell zu Spannungen. Die Frage lautet also: Muss der Arbeitgeber eine per Videosprechstunde ausgestellte Krankschreibung akzeptieren?

Gesetzlicher Rahmen für die Video-AU

Die Krankschreibung per Video wurde 2022 offiziell erlaubt. Grundlage dafür ist die sogenannte Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses. In § 4 Abs. 5 dieser Richtlinie steht ausdrücklich, dass eine ärztliche Bescheinigung auch nach reinem Videokontakt möglich ist – unter bestimmten Voraussetzungen.

Voraussetzungen für eine gültige Video-AU

Eine AU via Videotelefonie ist jedoch nicht in jedem Fall gültig. Erstens muss es sich um einen bekannten Patienten handeln – die Praxis muss also bereits persönliche Informationen oder frühere Kontakte dokumentiert haben. Zweitens darf die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sieben Kalendertage nicht überschreiten. Drittens muss der Arzt eine medizinisch fundierte Entscheidung treffen können, was bei bestimmten Beschwerden natürlich schwieriger ist.

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Arbeitgeberreaktionen und ihre Grenzen

Viele Arbeitnehmer fragen sich: Darf mein Chef wirklich sagen, dass er nur noch persönliche Arztbesuche für gültig hält? Und was, wenn er sogar droht, die Lohnfortzahlung zu verweigern?

Freie Arztwahl nach § 76 SGB V

Das Sozialgesetzbuch V regelt in § 76, dass Versicherte ihre behandelnden Ärzte frei wählen dürfen. Daraus ergibt sich, dass auch ein Arzt, der per Video konsultiert wurde, grundsätzlich nicht schlechter gestellt ist als ein Arzt in der Praxis. Der Arbeitgeber hat somit kein Recht, die Wahl des Arztes aktiv zu bestimmen oder die Art der Konsultation zu beeinflussen.

Das Problem der Beweiskraft

Trotzdem muss man beachten: Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein Beweismittel – kein Freifahrtschein. Der Arbeitgeber darf Zweifel äußern und bei Bedarf sogar eine gutachterliche Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) beantragen. Das ist besonders in Branchen mit hoher Personalverantwortung und engem Kontakt zu Menschen – wie der Pflege – durchaus gängige Praxis.

Informationslücken bei der eAU

Interessanterweise weiß der Arbeitgeber beim Abruf der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) gar nicht, ob diese per Video oder vor Ort ausgestellt wurde. Die Art der Konsultation wird im Datensatz nicht übermittelt. Es ist also fraglich, wie der Arbeitgeber überhaupt darauf kommt – es sei denn, man hat es ihm selbst erzählt.

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Praxis und mögliche Konfliktlösungen

In der Praxis hängt vieles vom Betriebsklima, dem Vertrauensverhältnis und der internen Kommunikationskultur ab. Was also tun, wenn der Arbeitgeber plötzlich andere Regeln aufstellen will?

Kommunikation auf Augenhöhe

Es lohnt sich, das Gespräch mit der Führungskraft oder der Personalabteilung zu suchen. Wer ruhig und sachlich darlegt, dass er sich immer korrekt verhalten hat, kann oft Missverständnisse ausräumen. Die AU via Videotelefonie ist legal und in vielen Fällen auch medizinisch sinnvoll – insbesondere bei harmloseren Symptomen oder bekannten Krankheitsverläufen.

Unterstützung durch Betriebsrat oder Anwalt

Wenn der Arbeitgeber sich trotz aller Argumente querstellt, kann der Betriebsrat helfen. Existiert kein solcher, sollten Betroffene juristischen Rat einholen. Die Rechtslage ist in diesem Punkt nicht glasklar, aber die Tendenz geht klar dahin, dass die digitale AU rechtlich zulässig ist – solange die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden.

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Sonderfall Pflegeberufe

Gerade in Pflegeberufen wie dem hier geschilderten Fall ist die Arbeitsfähigkeit besonders kritisch. Die Verantwortung gegenüber Patienten und Bewohnern ist hoch – und Arbeitgeber legen häufig Wert auf klare Nachweise.

Höheres Maß an Kontrolle

Das bedeutet in der Praxis oft: strengere Maßstäbe, häufigere Nachprüfungen, manchmal auch Rückfragen beim Arzt oder direkte MDK-Verfahren. Wer hier regelmäßig auf die AU via Videotelefonie zurückgreift, könnte früher oder später in Erklärungsnot geraten – selbst wenn alles korrekt abläuft.

Empfehlung für Pflegekräfte

Pflegekräfte sollten die Vorteile der Telemedizin weiterhin nutzen, aber mit Bedacht. Wer merkt, dass die Akzeptanz sinkt, kann für kritische Phasen auch eine persönliche Vorstellung einplanen. Das schafft Vertrauen und entkräftet mögliche Zweifel.

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Fazit

AU via Videotelefonie bleibt ein legitimes und gesetzlich geregeltes Instrument zur Krankschreibung – vor allem seit der Anpassung der AU-Richtlinie im Jahr 2022. Dennoch kann es im Alltag zu Spannungen kommen, wenn Arbeitgeber die digitale Form nicht mehr akzeptieren wollen. Auch wenn das Recht auf freie Arztwahl gilt, bleibt die AU letztlich ein Beweismittel, dessen Anerkennung im Konfliktfall gerichtlich überprüft werden kann. Gerade in sensiblen Bereichen wie der Pflege ist es daher ratsam, einen offenen Dialog mit dem Arbeitgeber zu suchen, statt sich auf sture Grundsatzdiskussionen zu versteifen. Wer AU via Videotelefonie weiter nutzen möchte, sollte auf Transparenz und rechtssichere Abläufe achten – das schützt die eigene Position und hilft, unnötige Eskalationen zu vermeiden.

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FAQ

Muss der Arbeitgeber eine AU via Videotelefonie akzeptieren?

Die AU via Videotelefonie ist gesetzlich erlaubt und unter bestimmten Voraussetzungen gültig. Trotzdem kann der Arbeitgeber in begründeten Fällen Zweifel äußern und eine persönliche Untersuchung fordern. Die Anerkennung liegt also nicht automatisch in seiner Pflicht, auch wenn er nicht pauschal die Videoform ablehnen darf.

Gilt die freie Arztwahl auch bei AU via Videotelefonie?

Ja, nach § 76 SGB V haben Versicherte grundsätzlich das Recht, ihren Arzt frei zu wählen – dazu gehört auch der Arzt, der über Videotelefonie arbeitet. Die Krankschreibung ist jedoch an formale Vorgaben gebunden, wie etwa die Begrenzung auf 7 Kalendertage.

Kann der Arbeitgeber wissen, ob die AU per Video ausgestellt wurde?

Nein. Im Rahmen der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) erhält der Arbeitgeber keine Informationen darüber, ob die Krankschreibung vor Ort oder per Videotelefonie erfolgte. Die ärztliche Schweigepflicht schützt diese Information.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber die AU ablehnt?

Wird eine korrekt ausgestellte AU via Videotelefonie vom Arbeitgeber nicht akzeptiert, kann dies ein arbeitsrechtlicher Konflikt sein. Betroffene sollten dann entweder den Betriebsrat einschalten oder rechtlichen Beistand suchen. Die Chancen auf Anerkennung sind gut, wenn die gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind.

Ist die AU via Videotelefonie in der Pflegebranche problematisch?

In Pflegeberufen kann die regelmäßige Nutzung der AU via Videotelefonie kritisch betrachtet werden, weil hier die Arbeitsfähigkeit eine besonders große Rolle spielt. Zwar ist die AU rechtlich zulässig, doch Arbeitgeber verlangen in solchen Bereichen oft zusätzliche Sicherheit – etwa durch persönliche Arztbesuche oder MDK-Prüfungen.

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