Der Aufhebungsvertrag bei Verlagerung eines Arbeitsplatzes ins EU-Ausland stellt viele Betroffene vor rechtliche und persönliche Herausforderungen. Besonders heikel wird es, wenn die Aufenthaltsgenehmigung oder ein Antrag auf Niederlassungserlaubnis in Deutschland betroffen ist. In diesem Beitrag klären wir, worauf Sie achten sollten, was arbeitsrechtlich erlaubt ist und welche Schutzmechanismen Ihnen zustehen.
Aufhebungsvertrag bei Verlagerung
Wenn Unternehmen Stellen ins EU-Ausland verlagern, nutzen sie häufig Aufhebungsverträge. Für Arbeitnehmer kann das schwerwiegende Konsequenzen haben – auch über den Arbeitsplatzverlust hinaus.
Kündigung oder Aufhebungsvertrag?
Zunächst einmal stellt sich die Frage: Wurde tatsächlich gekündigt oder nur ein Aufhebungsvertrag angeboten? Ein Aufhebungsvertrag ist eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das im Gegensatz zur Kündigung nicht vom Arbeitgeber allein durchgesetzt wird. Doch aufgepasst: Eine Unterschrift unter solch eine Vereinbarung kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen (§ 159 Abs. 1 SGB III), es sei denn, die reguläre Kündigungsfrist wird vollständig gewahrt und ein „wichtiger Grund“ liegt vor.
Sperrzeit und Arbeitslosengeld
Unterschreiben Sie einen Aufhebungsvertrag, ohne vorher arbeitsuchend gemeldet zu sein, riskieren Sie zusätzlich eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Meldung (§ 159 Abs. 6 SGB III). Dabei zählt die Frist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis über die bevorstehende Arbeitslosigkeit – also oft schon ab dem ersten Gespräch mit der Personalabteilung. Telefonische oder Online-Meldung bei der Agentur für Arbeit sollte deshalb sofort erfolgen, auch wenn noch kein schriftlicher Vertrag unterschrieben ist.
Auswirkungen auf Aufenthaltstitel
Noch kritischer wird es, wenn Sie kurz vor der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis stehen. Nach § 9 AufenthG ist ein gesicherter Lebensunterhalt eine Grundvoraussetzung für die Erteilung. Wenn Sie arbeitslos werden, kann dies Ihren Antrag verzögern oder gefährden. Zwar bleibt ein bereits gültiger Aufenthaltstitel bestehen und kann verlängert werden, doch der neue Status „Daueraufenthalt-EU“ ist ohne Beschäftigung kaum durchsetzbar. Auch ein Einbürgerungsverfahren wird dadurch oft ausgebremst.
Arbeitszeit Bewertung freier Tag 👆Rechtslage bei Verlagerung ins Ausland
Die Verlagerung einer Abteilung ins EU-Ausland ist rechtlich nicht automatisch ein Kündigungsschutzverstoß. Dennoch muss das Unternehmen bestimmte Vorgaben erfüllen – und nicht jede Kündigung ist damit automatisch rechtmäßig.
Betriebsbedingte Kündigung
In Ihrem Fall handelt es sich vermutlich um eine betriebsbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG). Diese ist zulässig, wenn dringende betriebliche Erfordernisse bestehen – etwa die Schließung einer Abteilung. Doch Achtung: Wenn Aufgaben lediglich an einem neuen Standort weitergeführt werden und bereits neue Mitarbeiter eingearbeitet werden, kann dies auf eine sogenannte „Scheinverlagerung“ hindeuten. Das wäre vor Gericht durchaus angreifbar.
Sozialauswahl und Alternativangebote
Besonders problematisch wird es, wenn keine Sozialauswahl stattgefunden hat oder der Arbeitgeber keine Versetzung oder Umschulung innerhalb des deutschen Betriebs anbietet (§ 1 Abs. 3 KSchG). Gibt es noch andere Abteilungen im Unternehmen, muss geprüft werden, ob freie Stellen angeboten wurden. Fehlt diese Prüfung, kann eine Kündigung unwirksam sein – mit der Möglichkeit auf Weiterbeschäftigung oder Abfindung.
Arbeitszeit Minusstunden Regeln: Was zählt wirklich? 👆Strategien für Verhandlungen
Viele Arbeitnehmer unterschreiben den Aufhebungsvertrag aus Angst oder Zeitdruck. Doch das ist riskant – vor allem ohne Rechtsberatung. Hier ein paar Empfehlungen für Verhandlungen.
Kündigungsschutzklage prüfen
Wenn Sie nicht unterschreiben und stattdessen eine Kündigung erhalten, haben Sie drei Wochen Zeit für eine Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG). Das kann Ihnen nicht nur Zeit verschaffen, sondern auch Ihre Chancen auf Abfindung oder Weiterbeschäftigung verbessern. Auch ohne Rechtsschutzversicherung hilft Ihnen die Rechtsantragsstelle am Arbeitsgericht kostenlos beim Einreichen der Klage.
Abfindung und Resturlaub
Wird ein Aufhebungsvertrag angeboten, ist eine Abfindung von etwa einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr üblich. Dazu kommen Abgeltungen für nicht genommenen Urlaub (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Wird Ihnen nur ein Monatsgehalt als Abfindung angeboten, lohnt sich das Nachverhandeln – insbesondere wenn Sie bereits neue Kollegen eingearbeitet haben, die nun Ihre Stelle im Ausland übernehmen.
Wohnsitzwechsel verweigert?
Arbeitgeber dürfen nicht ohne weiteres verlangen, dass Sie ins Ausland umziehen. Es sei denn, im Arbeitsvertrag wurde eine entsprechende Mobilitätsklausel vereinbart. Fehlt diese, ist eine einseitige Versetzung ins Ausland rechtlich angreifbar. Eine Kündigung allein wegen fehlender Umzugsbereitschaft könnte daher als „sozialwidrig“ gelten.
Schlechte Unterbringung Montage: Was ist rechtlich erlaubt? 👆Persönliche Umstände berücksichtigen
In Ihrem Fall spielt nicht nur das Arbeitsrecht eine Rolle, sondern auch persönliche Aspekte wie der Familienstand, der geplante Einbürgerungsantrag und die soziale Verwurzelung in Deutschland. All diese Punkte können in einer Klage oder Verhandlung als mildernde Umstände berücksichtigt werden.
Sie sollten daher sehr genau prüfen, ob Sie den Aufhebungsvertrag wirklich unterschreiben – oder sich lieber kündigen lassen und die gerichtliche Auseinandersetzung nicht scheuen.
Arbeitszeit Kürzung Montage: Muss der Chef zahlen? 👆Fazit
Der Aufhebungsvertrag bei Verlagerung bringt erhebliche rechtliche Risiken mit sich – von Sperrzeit beim ALG bis zur Gefährdung des Aufenthaltsstatus. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Auch ohne Rechtsschutzversicherung können Sie Ihre Rechte durchsetzen. Nutzen Sie die Hilfe der Arbeitsagentur, der Rechtsantragsstelle beim Arbeitsgericht – und wenn möglich, holen Sie sich juristische Unterstützung für eine bessere Verhandlungsposition.
Dienstleister Schaden Haftung Firma: Wer ist verantwortlich? 👆FAQ
Was passiert, wenn ich den Aufhebungsvertrag unterschreibe?
Wenn Sie den Aufhebungsvertrag unterzeichnen, beenden Sie das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit dem Arbeitgeber. Das kann jedoch zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen, insbesondere wenn keine Kündigungsfrist eingehalten wurde oder kein wichtiger Grund vorliegt (§ 159 Abs. 1 SGB III). Diese Sperrzeit kann bis zu 12 Wochen dauern. Wenn der Vertrag jedoch das reguläre Kündigungsdatum einhält, kann die Sperre entfallen – klären Sie das unbedingt vorher mit der Agentur für Arbeit.
Muss ich mich bei der Agentur für Arbeit melden, auch wenn ich noch nicht gekündigt wurde?
Ja. Sobald Sie Kenntnis davon haben, dass Ihr Arbeitsverhältnis enden wird – egal ob durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag – müssen Sie sich unverzüglich arbeitssuchend melden (§ 38 Abs. 1 SGB III). Dabei zählen Kalendertage, nicht nur Werktage. Wenn Sie sich zu spät melden, droht eine zusätzliche einwöchige Sperrzeit (§ 159 Abs. 6 SGB III).
Kann ich trotz drohender Arbeitslosigkeit die Niederlassungserlaubnis beantragen?
Das wird schwierig. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG ist der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts. Bei drohender Arbeitslosigkeit oder unterbrochener Erwerbstätigkeit kann der Antrag abgelehnt oder verzögert werden. Wichtig ist, vor Antragstellung wieder eine gesicherte Beschäftigung nachweisen zu können. Arbeitslosengeld zählt dabei in der Regel nicht als ausreichende Einkommensquelle.
Habe ich Anspruch auf Abfindung, wenn ich gekündigt werde?
Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht in Deutschland grundsätzlich nicht. Jedoch wird bei betriebsbedingter Kündigung häufig eine Abfindung gezahlt, insbesondere wenn ein Kündigungsschutzprozess droht. Eine grobe Faustregel ist: ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (§ 1a KSchG). Wenn Ihnen nur ein Monatsgehalt als Abfindung angeboten wurde, sollten Sie verhandeln oder anwaltlich prüfen lassen, ob mehr möglich ist.
Was ist der Unterschied zwischen Kündigung und Aufhebungsvertrag?
Eine Kündigung ist eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Aufhebungsvertrag hingegen ist eine beiderseitige Vereinbarung. Der Vorteil: Beide Seiten können Konditionen aushandeln. Der Nachteil: Wer unterschreibt, verliert unter Umständen Rechte – wie Kündigungsschutz oder Anspruch auf Kündigungsschutzklage. Daher sollten Sie nie unüberlegt unterschreiben, sondern sich vorher rechtlich beraten lassen.
Kann ich gegen die Kündigung klagen?
Ja, Sie können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen (§ 4 KSchG). Das ist besonders sinnvoll, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung bestehen – etwa, wenn die Verlagerung ins Ausland nur vorgeschoben wirkt. Die Klage kann zur Weiterbeschäftigung oder zu einer besseren Abfindung führen. Die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts hilft Ihnen kostenlos beim Einreichen.
Was kann ich tun, wenn ich keinen Betriebsrat habe?
Fehlt ein Betriebsrat, entfällt eine wichtige Kontrollinstanz im Unternehmen. Das bedeutet aber nicht, dass Sie keine Rechte haben. Sie können sich an die Arbeitsagentur, das Arbeitsgericht oder Beratungsstellen wie die Gewerkschaft oder Migrationsberatung wenden. Dort erhalten Sie Informationen über Ihre Optionen – auch ohne juristischen Beistand oder Betriebsrat.
Darf mein Arbeitgeber verlangen, dass ich ins Ausland ziehe?
Nur wenn dies vertraglich vereinbart wurde – zum Beispiel über eine Versetzungsklausel. Ohne solche Regelung kann der Arbeitgeber Sie nicht zur Verlagerung ins Ausland zwingen. Lehnen Sie das ab, darf dies allein kein Kündigungsgrund sein. Eine betriebsbedingte Kündigung muss dennoch nachvollziehbar und verhältnismäßig begründet werden.
Was passiert mit meinem Aufenthaltstitel bei Arbeitslosigkeit?
Ihr Aufenthaltstitel bleibt zunächst bestehen, auch wenn Sie arbeitslos werden. Allerdings kann dies die Beantragung oder Verlängerung einer Niederlassungserlaubnis oder Einbürgerung verzögern. Die Ausländerbehörde prüft dabei individuell, ob ein gesicherter Lebensunterhalt vorliegt. Wichtig ist daher, schnellstmöglich wieder eine Anstellung zu finden. Auch ALG I-Empfänger können unter bestimmten Umständen eine Verlängerung erhalten – klären Sie das frühzeitig mit Ihrer Ausländerbehörde.
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