Fehlende Tätigkeiten Arbeitszeugnis: Beweise?

Fehlende Tätigkeiten Arbeitszeugnis – allein das klingt schon nach einer frustrierenden Erfahrung. Wer über Jahre hinweg gearbeitet hat, erwartet zurecht ein Zeugnis, das die Leistungen widerspiegelt. Doch was tun, wenn der Arbeitgeber genau das unterschlägt? Können E-Mails helfen, die tatsächliche Arbeit zu belegen? Genau das klären wir hier.

Rechtlicher Anspruch auf vollständiges Zeugnis

Jede:r Arbeitnehmer:in in Deutschland hat gemäß § 109 GewO einen Anspruch auf ein „wahres und wohlwollendes“ Arbeitszeugnis. Das bedeutet: Die Tätigkeiten, die tatsächlich ausgeübt wurden, müssen korrekt wiedergegeben werden – auch wenn das Verhältnis zum Arbeitgeber vielleicht nicht im Guten endet.

Was muss ein qualifiziertes Zeugnis enthalten?

Ein qualifiziertes Zeugnis beschreibt nicht nur die Dauer und Art der Beschäftigung, sondern geht auch auf konkrete Aufgaben sowie auf Leistung und Verhalten ein. Werden wesentliche Tätigkeiten ausgelassen, kann das Zeugnis entwertet werden – was bei späteren Bewerbungen zu großen Nachteilen führen kann.

Welche Rechte bestehen bei Auslassungen?

Wurden zentrale Aufgaben nicht erwähnt, kann man als Arbeitnehmer:in die Berichtigung verlangen. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, bleibt nur der Klageweg. Dabei stellt sich die Frage: Womit kann man die eigene Tätigkeit beweisen?

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Interne E-Mails als Beweismittel

Ob man fehlende Tätigkeiten im Arbeitszeugnis durch interne Mails belegen darf, ist eine sensible und juristisch nicht ganz einfache Frage. Zwar sind E-Mails grundsätzlich zulässige Beweismittel – aber nicht ohne Einschränkungen.

Zulässigkeit von E-Mails vor Gericht

Nach der Zivilprozessordnung (§§ 415 ff. ZPO) gelten E-Mails entweder als Urkunden oder Augenscheinsobjekte, je nach Inhalt und Form. Das Gericht entscheidet im Einzelfall, wie hoch der Beweiswert einer solchen Mail einzustufen ist. Enthält sie beispielsweise Anweisungen, Aufgabenbeschreibungen oder Berichte über abgeschlossene Projekte, kann das durchaus aussagekräftig sein.

Grenzen durch Verschwiegenheitspflicht

Ein großes Problem liegt aber in der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht. Interne E-Mails können vertrauliche Inhalte oder sogar Betriebsgeheimnisse enthalten. Wer solche Nachrichten ohne Zustimmung des Arbeitgebers bei Gericht vorlegt, könnte gegen § 17 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) oder gegen arbeitsrechtliche Loyalitätspflichten verstoßen.

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Abwägung zwischen Interesse und Risiko

Wie so oft im Arbeitsrecht muss abgewogen werden: Das berechtigte Interesse des Mitarbeiters an einem vollständigen Zeugnis gegen das Interesse des Arbeitgebers am Schutz interner Informationen.

Wann liegt ein berechtigtes Interesse vor?

Ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung liegt dann vor, wenn die E-Mails nicht schutzwürdig sind – etwa wenn sie keine geschäftsrelevanten Geheimnisse enthalten. Nach der Rechtsprechung (z. B. LAG Rheinland-Pfalz, 5 Sa 411/18) kann der Arbeitnehmer auf dieses Material zugreifen, solange keine Interessen des Arbeitgebers überwiegen.

Technischer Zugriff allein legitimiert nicht

Wichtig: Der Zugriff auf das eigene Postfach – etwa weil man noch im Unternehmen arbeitet – reicht allein nicht aus, um die Nutzung der Mails zu rechtfertigen. Entscheidend ist der Inhalt der E-Mails und wie dieser in einem Prozess verwendet wird.

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Alternative Strategien vor Gericht

Wenn E-Mails heikel sind, gibt es andere Wege, um die eigene Tätigkeit zu belegen. Zeugenaussagen, Projektberichte oder sogar Kalender-Notizen können eine wichtige Rolle spielen. Wer den Weg zum Gericht wählt, sollte gut vorbereitet sein.

Zeugnis selbst formulieren

In der Praxis hat es sich bewährt, dem Arbeitgeber ein überarbeitetes Zeugnis zur Unterschrift vorzulegen – inklusive Fristsetzung. Lehnt der Arbeitgeber dies ab, kann man gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dabei kann eine anwaltliche Begleitung helfen, die richtige Strategie zu wählen und auch die Beweismittel optimal aufzubereiten.

Praktische Hinweise für das Vorgehen

Vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens sollte man den genauen Wortlaut des bisherigen Zeugnisses analysieren lassen. Liegt eine grobe inhaltliche Lücke vor, sind die Chancen auf Erfolg höher. Liegt nur eine “Ungenauigkeit” vor, könnte das Gericht dies als Ermessensspielraum des Arbeitgebers werten.

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Rechtsprechung und Praxisbeispiele

Die Arbeitsgerichte entscheiden regelmäßig über Zeugnisfragen. Relevant ist dabei nicht nur der Inhalt, sondern auch der Kontext: Hat der oder die Arbeitnehmer:in bestimmte Projekte allein betreut? Wurden bestimmte Aufgaben dokumentiert? Hier helfen klare Belege – und ein sorgfältiges taktisches Vorgehen.

Beispiel: IT-Projektleiter mit fehlenden Tätigkeiten

Ein Fall aus München (ArbG München, Urteil vom 13.10.2022, Az. 27 Ca 4052/21) zeigt, dass das Gericht sehr wohl bereit ist, auch interne Dokumente zu würdigen – solange keine Betriebsgeheimnisse preisgegeben werden. In dem Fall wurden E-Mails als zulässig angesehen, weil sie lediglich organisatorische Kommunikation enthielten und der Arbeitgeber die Korrektur des Zeugnisses verweigert hatte.

Grenze bei vertraulichen Inhalten

Anders sieht es aus, wenn die E-Mails etwa Kundeninformationen, Preisabsprachen oder strategische Planungen enthalten. Hier wäre eine Offenlegung möglicherweise unzulässig – und das Gericht könnte das Vorbringen sogar als arbeitsrechtlichen Pflichtverstoß werten.

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Handlungsempfehlung für Betroffene

Wer ein Zeugnis erhält, das zentrale Tätigkeiten auslässt, sollte nicht vorschnell handeln. Zunächst empfiehlt sich eine diplomatische Nachfrage beim Arbeitgeber – gegebenenfalls mit Formulierungsvorschlag. Erst wenn dies erfolglos bleibt, sollte der Rechtsweg erwogen werden.

E-Mail-Ausdrucke sicher aufbewahren

Wichtig: Bevor man E-Mails einsetzt, sollte man sie sichten und prüfen lassen. Anwält:innen können einschätzen, ob eine konkrete Mail zur Beweisführung geeignet ist – und ob die Offenlegung rechtlich zulässig ist. Einfach “drauflos drucken” wäre riskant.

Mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen

Man darf nicht vergessen: Wer ohne Erlaubnis interne Kommunikation offenlegt, könnte auch selbst rechtlich belangt werden – etwa durch eine Abmahnung oder sogar Kündigung wegen Vertrauensbruchs (§ 626 BGB). Auch das sollte man in die Entscheidung mit einbeziehen.

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Fazit

Fehlende Tätigkeiten im Arbeitszeugnis stellen für viele Arbeitnehmer:innen ein echtes Ärgernis dar – gerade wenn dadurch der berufliche Werdegang entwertet wird. Wer solche Lücken nachweisen möchte, kann grundsätzlich auch interne E-Mails als Beweismittel einsetzen. Dabei ist jedoch äußerste Vorsicht geboten: Zwar sind E-Mails vor Gericht im Regelfall zulässig, doch dürfen sie keine vertraulichen Inhalte oder Betriebsgeheimnisse enthalten. Ein Gericht wird immer eine Abwägung vornehmen zwischen dem berechtigten Interesse an einem korrekten Zeugnis und dem Schutz unternehmensinterner Kommunikation. Wer unsicher ist, sollte sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen – denn eine unbedachte Offenlegung kann schnell zum Bumerang werden. Wer jedoch strukturiert vorgeht und gerichtliche Maßstäbe beachtet, kann mit einer gezielten Strategie durchaus Erfolg haben, ein vollständig korrigiertes Zeugnis zu erhalten, das die eigenen Leistungen und Tätigkeiten angemessen widerspiegelt.

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FAQ

Können E-Mails aus dem Firmenpostfach überhaupt verwendet werden?

Grundsätzlich ja. Interne E-Mails gelten nach der Zivilprozessordnung als Beweismittel. Doch Achtung: Sie dürfen keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten. Sonst drohen rechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung.

Wann ist ein Arbeitszeugnis „unvollständig“ im rechtlichen Sinne?

Wenn wesentliche Aufgaben, für die man zuständig war, fehlen oder der Eindruck entsteht, man habe weniger Verantwortung gehabt als tatsächlich ausgeübt, kann das Zeugnis als unvollständig gelten. In diesem Fall kann die Berichtigung verlangt werden.

Welche rechtliche Grundlage erlaubt die Berichtigung eines Zeugnisses?

Laut § 109 Gewerbeordnung (GewO) besteht ein Anspruch auf ein „wahres“ und „wohlwollendes“ Zeugnis. Wird das nicht erfüllt, kann der Zeugnisanspruch gerichtlich geltend gemacht werden – auch mithilfe von Belegen wie E-Mails.

Wie bewerte ich, ob meine E-Mails „vertraulich“ sind?

Das ist im Einzelfall schwer zu sagen. Enthalten die Mails sensible Daten wie Kundeninformationen, Preisverhandlungen oder interne Strategien, sollte man sie nicht ohne Rücksprache vorlegen. Besser ist es, sie vorab durch eine:n Fachanwalt:anwältin prüfen zu lassen.

Was kann ich tun, wenn mein:e Arbeitgeber:in auf die Bitte um Korrektur nicht reagiert?

Dann bleibt der Klageweg offen. Vorab kann man ein korrigiertes Zeugnis mit Fristsetzung vorlegen. Bleibt auch das erfolglos, kann eine gerichtliche Klärung angestrebt werden – mit guten Erfolgsaussichten, wenn fehlende Tätigkeiten im Arbeitszeugnis klar belegbar sind.

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