Ein schlechtes Arbeitszeugnis kann auf den ersten Blick gar nicht so negativ klingen – und doch große Auswirkungen auf zukünftige Bewerbungen haben. Gerade bei verklausulierten Formulierungen ist es wichtig, genau hinzuschauen. In diesem Beitrag analysieren wir ein konkretes Beispiel aus dem Alltag einer Werkstudentin und erklären Schritt für Schritt, wie sich die Bewertung zusammensetzt und was rechtlich möglich ist.
Werkstudentin erhält verdächtig neutrales Zeugnis
Im Mittelpunkt steht eine Studentin, die zwei Jahre lang in einem Unternehmen als Werkstudentin tätig war. Sie wurde regelmäßig weiterbeschäftigt, obwohl ihr Vertrag jeweils auf sechs Monate befristet war. Trotz positiver Rückmeldungen und Gespräche über eine mögliche Übernahme endete das Arbeitsverhältnis schließlich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Firma.
Am letzten Tag erhielt sie ihr Arbeitszeugnis. Die Formulierungen wirkten auf den ersten Blick wohlwollend – doch bei genauer Betrachtung schienen viele Aussagen eher mittelmäßig bis negativ konnotiert. Die Studentin äußerte berechtigte Zweifel, ob ihr wirklich ein faires Zeugnis ausgestellt wurde oder ob es sich um ein sogenanntes „Code-Zeugnis“ handelt, das negative Aussagen durch scheinbar neutrale Formulierungen verschleiert.
Krankmeldung ohne AU: Was passiert ab Tag 3? 👆Zeugnisformulierungen im rechtlichen Kontext
Ein Arbeitszeugnis muss laut § 109 GewO „wahrheitsgemäß“ und „wohlwollend“ sein. Doch diese Anforderungen stehen oft im Widerspruch zueinander. Arbeitgeber versuchen, negative Bewertungen so zu formulieren, dass sie für geschulte Personaler erkennbar sind, für Laien aber harmlos wirken.
Die Problematik der Formulierung „wir lernten kennen“
Die Passage „Wir lernten Frau X als eine motivierte, zuverlässige und belastbare Mitarbeiterin kennen“ wirkt auf den ersten Blick positiv. Doch in der Zeugnissprache deutet die Formulierung „lernten kennen“ darauf hin, dass diese Eigenschaften eben nicht dauerhaft beobachtet wurden. Ein sicherer Hinweis auf eine Einschränkung in der Bewertung – juristisch schwer angreifbar, aber in der Wirkung potenziell nachteilig.
Fachkenntnisse ohne Weiterentwicklung?
Ein weiterer Knackpunkt ist die Aussage: „Sie hatte die erforderlichen Fachkenntnisse, die sie sicher in der Praxis einsetzte.“ Das klingt solide, aber eben auch nicht mehr. Es fehlt jede Andeutung von Weiterentwicklung, Lernbereitschaft oder überdurchschnittlicher Anwendung – ein Indikator dafür, dass die Leistungen nur durchschnittlich waren. Im Zeugniscode entspricht dies oft einer „befriedigenden“ Bewertung, also Note 3.
Die Bewertung der Arbeitsweise
Auch die Passage „Frau X fand und realisierte auch für komplexe Problemstellungen zielführende Lösungen. Dabei ging sie stets planvoll, systematisch und ergebnisorientiert vor.“ wirkt zunächst strukturiert. Doch fehlen Hinweise auf Kreativität, Eigeninitiative oder besondere Erfolge. Das Ergebnis bleibt blass und neutral, was wiederum auf eine Bewertung zwischen Note 3 und 4 schließen lässt.
Gesundheitsbonus Kündigung Auszahlung erzwingen? 👆Die Bedeutung der Schlussformel
Ein entscheidender Teil eines qualifizierten Arbeitszeugnisses ist die Schlussformel. Hier zeigen sich deutlich die Absichten und das Verhältnis des Arbeitgebers zur Arbeitnehmerin. Im vorliegenden Fall heißt es lediglich: „Wir danken Frau X für ihre Mitarbeit und wünschen ihr für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute.“
Fehlende Bedauernsformel als Schwäche
Dass kein Bedauern über das Ausscheiden geäußert wird – etwa durch die Formulierung „Wir bedauern ihr Ausscheiden sehr“ – ist ein klares Zeichen dafür, dass keine überdurchschnittliche Wertschätzung bestand. Auch der Grund für das Ende des Arbeitsverhältnisses (betriebliche Gründe) wird nicht erwähnt, obwohl dies entlastend für die Studentin wäre.
Einfache Danksagung ohne Betonung von Leistungen
Die gewählte Schlussformulierung ist standardisiert und ohne persönliche Note. In hochwertigen Zeugnissen findet sich oft eine Formulierung wie „für ihre stets sehr guten Leistungen danken wir ihr besonders“. Dass dies hier fehlt, wertet das gesamte Zeugnis ab – es bleibt im Gesamteindruck blass und beliebig.
Mistra Eintrag löschen nach §170 Abs. 2 StPO 👆Wie lässt sich gegen ein mittelmäßiges Zeugnis vorgehen?
Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Note im Arbeitszeugnis. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13) muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er überdurchschnittliche Leistungen erbracht hat, wenn er eine bessere Formulierung verlangt.
Verhandlung mit dem Arbeitgeber
Dennoch kann es sinnvoll sein, das Gespräch zu suchen – vor allem, wenn das Zeugnis nicht den bisherigen Rückmeldungen entspricht. In vielen Fällen zeigen sich Arbeitgeber kulant, insbesondere wenn keine formalen Fehler oder Konflikte im Raum stehen. Eine sachlich formulierte Bitte um Anpassung, unter Verweis auf konkrete Leistungen, kann Erfolg bringen.
Gerichtliche Klärung als letzter Schritt
Sollte der Arbeitgeber auf Nachbesserung bestehen, besteht die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigungsklage nach § 109 GewO einzureichen. Die Chancen stehen allerdings nur dann gut, wenn der Arbeitnehmer durch Belege, Zeugen oder Zielvereinbarungen seine Leistung nachweisen kann.
Lohnzahlung Freistellung Insolvenzverfahren 👆Werkstudentenzeugnisse – wie relevant sind sie wirklich?
Ein häufig geäußerter Einwand: Ist ein Arbeitszeugnis für eine Werkstudententätigkeit überhaupt relevant? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Bedeutung in der frühen Karrierephase
Gerade am Anfang einer beruflichen Laufbahn kann ein qualifiziertes Zeugnis den entscheidenden Unterschied machen. Wenn sonst kaum berufliche Erfahrungen vorliegen, achten Personaler auf jede Kleinigkeit – auch auf den Subtext eines Zeugnisses. Ein schlechtes Arbeitszeugnis kann in solchen Fällen das Aus bedeuten, bevor es überhaupt zum Bewerbungsgespräch kommt.
Spätere Bewerbungen mit mehr Berufserfahrung
Mit zunehmender Berufserfahrung verliert das einzelne Werkstudentenzeugnis an Gewicht. Es kann aber dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen – sei es im positiven wie im negativen Sinne. Wer etwa später bei einer Bewerbung auf denselben Konzern stößt, bei dem das Zeugnis ausgestellt wurde, könnte von der alten Bewertung eingeholt werden.
Arbeitszeugnis Bewertung richtig verstehen 👆Sprachliche Feinheiten richtig deuten
Die Sprache in Arbeitszeugnissen folgt einem speziellen Code – oft mit dem Ziel, negative Aussagen zu verschleiern, ohne juristisch angreifbar zu sein.
Vermeidung von Superlativen
Fehlen Begriffe wie „stets“, „außerordentlich“ oder „besonders“, deutet dies meist auf eine mittlere oder unterdurchschnittliche Bewertung hin. Wer also nur „zu unserer vollen Zufriedenheit“ gearbeitet hat, wird in der Zeugnissprache auf Note 3 eingestuft. Eine Note 2 müsste „stets zur vollen Zufriedenheit“ lauten, Note 1 sogar „stets zur vollsten Zufriedenheit“.
Zwischen den Zeilen lesen
Auch Begriffe wie „bemüht“, „interessiert“ oder „mit Engagement“ deuten oft darauf hin, dass die Ergebnisse zu wünschen übrig ließen. Ebenso kann das Fehlen bestimmter Formulierungen – etwa zur Teamfähigkeit oder Kundenorientierung – negativ gewertet werden.
Zeitarbeitsfirma Kündigung Rechte bei Einsatzende 👆Künstliche Intelligenz und Zeugnisanalyse
In der heutigen Zeit nutzen viele Bewerber Tools, um ihr Zeugnis automatisiert analysieren zu lassen. Auch Unternehmen greifen auf Textbausteine zurück, die aus Zeugnisgeneratoren stammen.
Chancen und Grenzen von KI-Tools
Solche Tools können erste Hinweise auf problematische Formulierungen liefern. Sie ersetzen aber keine fundierte juristische Prüfung. Denn auch der Kontext, die Unternehmenssprache und persönliche Umstände spielen eine Rolle bei der Gesamtbewertung eines Zeugnisses.
Professionelle Beratung nutzen
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte eine Zeugnisanalyse durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht in Erwägung ziehen. Diese erkennen nicht nur problematische Formulierungen, sondern helfen auch, rechtlich zulässige Änderungswünsche zu formulieren.
Lohnabzug Firmenwagen Schweden rechtens? 👆Fazit
Ein scheinbar neutrales oder sogar freundliches Arbeitszeugnis kann in Wahrheit ein „schlechtes Arbeitszeugnis“ sein – vor allem dann, wenn es auf codierte Sprache und das Weglassen entscheidender Aussagen setzt. In dem hier analysierten Fall lassen bestimmte Formulierungen wie „zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder das Fehlen eines Bedauerns beim Ausscheiden auf eine eher durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Bewertung schließen. Gerade in der frühen Phase der Karriere, wie bei einer Werkstudententätigkeit, kann ein solches Zeugnis dennoch eine wichtige Rolle spielen. Wer den Eindruck hat, dass das eigene Zeugnis nicht den tatsächlichen Leistungen entspricht, sollte das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen – notfalls mit rechtlicher Unterstützung. Ein schlechtes Arbeitszeugnis muss man nicht einfach hinnehmen, wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen.
Arzttermin Arbeitszeit Gleitzeit: Was gilt? 👆FAQ
Wie erkenne ich ein schlechtes Arbeitszeugnis?
Ein schlechtes Arbeitszeugnis versteckt sich oft hinter scheinbar positiven Floskeln. Fehlende Superlative, das Weglassen eines Bedauerns über das Ausscheiden oder Formulierungen wie „bemüht“ oder „lernten kennen“ deuten auf Probleme hin.
Was bedeutet „zu unserer vollen Zufriedenheit“?
Diese Formulierung entspricht im Zeugniscode in der Regel der Schulnote 3 – also einem durchschnittlichen Zeugnis. Für eine bessere Bewertung müsste es „stets zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur vollsten Zufriedenheit“ heißen.
Kann ich eine Korrektur verlangen, wenn das Zeugnis zu schlecht ist?
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. Laut § 109 GewO besteht ein Anspruch auf ein wahrheitsgemäßes und wohlwollendes Zeugnis. Wer eine bessere Bewertung möchte, muss allerdings nachweisen, dass die Leistungen überdurchschnittlich waren.
Welche Rolle spielt ein schlechtes Arbeitszeugnis bei Bewerbungen?
In der frühen Karrierephase – zum Beispiel nach einer Werkstudententätigkeit – kann ein schlechtes Arbeitszeugnis durchaus entscheidend sein. Später, bei mehr Berufserfahrung, verlieren einzelne Zeugnisse meist an Gewicht.
Wie gehe ich am besten gegen ein schlechtes Zeugnis vor?
Zuerst empfiehlt sich ein sachliches Gespräch mit dem ehemaligen Arbeitgeber. Bleibt dieses erfolglos, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen. Im Notfall ist auch eine Klage auf Zeugnisberichtigung möglich.
Was sollte in einer guten Schlussformel stehen?
Eine gute Schlussformel enthält ein ausdrückliches Bedauern über das Ausscheiden, Dank für die geleistete Arbeit und gute Wünsche für die Zukunft. Fehlt das Bedauern, ist das oft ein Hinweis auf ein schlechtes Arbeitszeugnis.
Wie wichtig ist das Arbeitszeugnis für Werkstudenten?
Auch wenn viele Arbeitgeber Zeugnisse nur noch überfliegen, sind sie gerade für Berufsanfänger oder bei internen Bewerbungen innerhalb eines Konzerns weiterhin relevant.
Können Zeugnisgeneratoren bei der Analyse helfen?
Ja, sie geben erste Hinweise. Allerdings sollten die Ergebnisse kritisch geprüft werden. Für eine rechtlich fundierte Bewertung ist eine professionelle Zeugnisanalyse durch einen Experten empfehlenswert.
Was sind typische „Red Flags“ in einem Zeugnis?
Formulierungen wie „bemühte sich“, „zeigte Interesse“ oder „wir lernten sie kennen“ können auf verdeckte Kritik hinweisen. Auch das Weglassen positiver Aussagen über Leistungen oder Sozialverhalten ist auffällig.
Ist es realistisch, ein „sehr gutes“ Zeugnis zu verlangen?
Einfach fordern reicht nicht. Nur wer nachweisen kann, dass die Leistungen tatsächlich überdurchschnittlich waren, hat vor Gericht Chancen auf eine bessere Bewertung. Trotzdem sind viele Arbeitgeber bereit, Änderungen vorzunehmen, um Konflikte zu vermeiden.
Bezahlung Leerfahrten Schülerbeförderung rechtens? 👆