Streit mit Arbeitgeber nach Eigenkündigung: Was jetzt zählt

Streit mit Arbeitgeber nach Eigenkündigung kann schnell eskalieren, vor allem wenn es um Annahmeverzug oder fehlerhafte Verträge geht. In diesem Fall ging es nicht nur um fehlende Stunden, sondern auch um rechtlich fragwürdige Vertragsänderungen. Doch was ist rechtlich durchsetzbar – und was nicht?

Vertrag mit falscher Stundenanzahl unterschrieben

Ein zentraler Streitpunkt war ein neuer Arbeitsvertrag, der statt der bisherigen 34 Wochenstunden plötzlich nur noch 275 Stunden für drei Monate vorsah. Das entspricht rechnerisch etwa 21 Stunden pro Woche – eine erhebliche Reduktion. Laut § 305c Abs. 1 BGB können überraschende oder mehrdeutige Klauseln in AGB unwirksam sein, insbesondere wenn sie den Arbeitnehmer benachteiligen. Der Arbeitgeber argumentierte zwar mit Flexibilität, aber ohne transparente Vorankündigung oder Zustimmung zur Reduktion könnte diese Klausel angreifbar sein.

Arbeitszeit in der Praxis vs. Vertrag

Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit entsprach nachweislich eher den ursprünglichen 34 Stunden. Hier greift der Grundsatz der „betriebliche Übung“ und § 611a BGB: Wird regelmäßig eine bestimmte Arbeitszeit verlangt und auch vergütet, kann dies eine bindende Vereinbarung darstellen – unabhängig vom Vertragstext.

Jugendlicher stirbt nach Prügelei auf Schulhof Körperverletzung mit Todesfolge 👆

Annahmeverzug bei vorzeitiger Heimschickung

Ein besonders kritischer Punkt ist der sogenannte Annahmeverzug nach § 615 BGB. Wird ein Arbeitnehmer zur vertraglich vereinbarten Zeit zur Arbeit bereitgestellt, aber vom Arbeitgeber nach Hause geschickt, bleibt der Lohnanspruch grundsätzlich bestehen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Arbeitskraft tatsächlich angeboten wurde und keine betriebliche Veranlassung im Sinne einer wirksamen Kurzarbeit oder Urlaub vorlag.

Kein Vorlauf bei Heimschickung

In diesem Fall erfolgte das Heimschicken stets spontan, ohne Ankündigungsfrist. Laut Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.02.2002 – 9 AZR 633/00) ist ein kurzfristiger Abbau von Stunden durch den Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers grundsätzlich unzulässig. Die Minusstunden, die daraus resultieren, könnten daher als unberechtigt gelten – mit voller Vergütungspflicht für den Arbeitgeber.

Abmahnung aus Personalakte löschen möglich? 👆

Feiertage, Urlaub und Krankheit im Stundennachweis

Im Rahmen der Stundenberechnung herrscht oft Unsicherheit: Zählen freie Tage mit? Ja, nach § 3 Bundesurlaubsgesetz gelten Urlaubstage als reguläre Arbeitstage. Auch Krankheitstage mit Attest (AU) sind voll anzurechnen (§ 4 EFZG). Gleiches gilt für gesetzliche Feiertage, wenn diese auf reguläre Arbeitstage fallen. Sie sind also keine Nulltage im Sinne der Stundenerfassung.

Betriebsruhe und geschlossene Praxis

Etwas komplizierter wird es bei Betriebsferien. Hier muss eine Ankündigung mit angemessenem Vorlauf erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht erlaubt nur eingeschränkten Zwangsurlaub (etwa 60 % des Jahresurlaubs) ohne ausdrückliche Zustimmung. Wird darüber hinaus geschlossen, kann der Annahmeverzug greifen – mit Vergütungsanspruch für den Arbeitnehmer.

Abfindung bei befristetem Arbeitsvertrag realistisch fordern 👆

Fehlerhafte Vertragsklauseln und Lohnanspruch

Ein Vertrag entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung. Doch wenn elementare Bestandteile wie Arbeitszeit oder Gehalt fehlen oder intransparent sind, kann er angreifbar sein. In § 307 BGB heißt es ausdrücklich, dass Klauseln in AGB nicht überraschend und unangemessen benachteiligend sein dürfen. Wird eine Lohnerhöhung im Gespräch zugesagt, aber nicht schriftlich fixiert, so entsteht zwar kein einklagbarer Anspruch – wohl aber ein starkes Indiz für fehlerhafte Kommunikation.

Aufhebungsvertrag vorzeitige Beendigung erklärt 👆

Fazit

Streit mit Arbeitgeber nach Eigenkündigung ist emotional belastend – besonders wenn zusätzlich noch fehlerhafte Arbeitsverträge und Annahmeverzug im Raum stehen. In diesem konkreten Fall sprechen sowohl die gesetzliche Grundlage (§ 615 BGB, § 307 BGB) als auch die tatsächlichen Arbeitsbedingungen eher für die Arbeitnehmerin. Wird die Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, darf der Arbeitgeber nicht einfach spontan Stunden kürzen und Minusstunden anrechnen.

Wer also trotz unterzeichneter Reduktion der Wochenstunden weiterhin 34 Stunden arbeitet – und dies auch belegen kann – hat gute Chancen, im Streitfall vor Gericht Recht zu bekommen. Wichtig ist, Stundennachweise sauber zu dokumentieren, betriebliche Anweisungen zum Heimschicken festzuhalten und sich auf geltendes Arbeitsrecht zu stützen. Streit mit Arbeitgeber nach Eigenkündigung kann somit zur unangenehmen Episode werden – muss aber nicht zur finanziellen Niederlage führen, wenn man seine Rechte kennt und klug einfordert.

Sweat Equity ohne Gehalt: Legal und sinnvoll für Startups? 👆

FAQ

Muss ich Minusstunden nachholen, wenn mich der Chef früher nach Hause schickt?

Nein, sofern Sie arbeitsbereit waren und keine gültige arbeitsrechtliche Regelung (wie Kurzarbeit oder Urlaub) vorlag. In solchen Fällen liegt ein Annahmeverzug gemäß § 615 BGB vor. Die Minusstunden dürfen dann nicht zu Ihren Lasten gehen.

Gilt mein neuer Arbeitsvertrag, obwohl er fehlerhaft ist?

Grundsätzlich ja – ein unterschriebener Vertrag entfaltet Rechtskraft. Aber: Unklare oder überraschende Klauseln wie die Umrechnung von Wochenstunden in Quartalsstunden können nach § 305c und § 307 BGB unwirksam sein, wenn sie den Arbeitnehmer benachteiligen.

Wie trage ich Feiertage und Urlaub korrekt in den Stundennachweis ein?

Feiertage, Krankheitstage mit Attest und Urlaub gelten als regulär bezahlte Arbeitstage. Sie müssen im Stundennachweis entsprechend mit dem Sollwert eingetragen werden. Diese Tage dürfen nicht als Minusstunden gewertet werden.

Kann ich die zugesagte Gehaltserhöhung einklagen, wenn sie nicht im Vertrag steht?

Das ist schwierig. Mündliche Zusagen sind ohne schriftliche Fixierung schwer beweisbar. Allerdings kann eine betriebliche Übung oder das Verhalten des Arbeitgebers in Einzelfällen helfen, zumindest eine Teilanerkennung zu erzielen.

Habe ich Chancen vor dem Arbeitsgericht, auch ohne Anwalt?

Ja, besonders im Bereich Arbeitsrecht können Sie auch ohne Rechtsanwalt auftreten. Das Gericht hilft bei der Antragsformulierung. Zwar erfolgt keine Rechtsberatung, aber mit klarer Dokumentation und verständlicher Darstellung Ihrer Forderungen stehen Ihre Chancen nicht schlecht. Streit mit Arbeitgeber nach Eigenkündigung ist kein Einzelfall – und viele Urteile bestätigen die Arbeitnehmerseite.

Kündigung zurückgenommen Lohnnachzahlung möglich? 👆

0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Notify of
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments