Tariftreueregelung Pflege – genau dieser Begriff sorgt seit Monaten in der Pflegebranche für hitzige Diskussionen. Viele Pflegekräfte fühlen sich trotz gesetzlicher Regelung betrogen, wenn der Arbeitgeber die aktuellen Tariflöhne ignoriert. Doch ist das überhaupt erlaubt? Und was können betroffene Arbeitnehmer tun?
Gesetzlicher Rahmen der Tariftreueregelung
Die Tariftreueregelung Pflege verpflichtet seit dem 1. September 2022 alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen dazu, Pflegekräfte mindestens nach Tarifvertrag oder vergleichbaren kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien zu vergüten. Alternativ muss sich die Vergütung an den durchschnittlichen Löhnen im jeweiligen Bundesland orientieren. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Betrieb selbst tarifgebunden ist oder nicht.
Zielgruppe der Regelung
Wichtig ist: Die Regelung gilt nur für Beschäftigte, die mindestens 50 % ihrer Arbeitszeit in der direkten Pflege arbeiten. Verwaltungspersonal, hauswirtschaftliche Hilfen oder rein organisatorische Mitarbeiter sind von dieser Pflicht ausgenommen.
Gesetzliche Grundlage
Die gesetzliche Grundlage findet sich im § 72 SGB XI in Verbindung mit der Pflegepersonalregelung. Einrichtungen, die keine tarifliche oder tarifanaloge Entlohnung bieten, verlieren perspektivisch ihre Zulassung zur Versorgung von Pflegebedürftigen nach dem SGB XI – eine ernste Konsequenz.
Krankheitsbedingte Ausbildungsunterbrechung: Kündigung? 👆Anstieg der Tarifvergütung im April 2025
Zum 1. April 2025 wurde eine neue Lohnanpassung nach dem TVöD-P veröffentlicht. In vielen Pflegeunternehmen, die sich bislang freiwillig an diesen Tarifvertrag anlehnten, wurde die Erhöhung jedoch nicht umgesetzt. Genau hier stellt sich die rechtliche Frage: Muss diese Erhöhung gezahlt werden, obwohl kein Tarifvertrag besteht?
Orientierung am TVöD-P
Wird im Arbeitsvertrag oder durch betriebliche Übung ausdrücklich auf den TVöD-P verwiesen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Lohnerhöhung auch ohne Tarifbindung gilt. In diesem Fall handelt es sich um eine sogenannte „tarifliche Bezugnahme“, die rechtlich wirksam sein kann.
Keine Zahlung trotz gesetzlicher Pflicht?
Unternehmen, die sich der Tariftreueregelung entziehen und nicht mindestens die veröffentlichten Durchschnittslöhne zahlen, verstoßen gegen geltendes Recht. Auch wenn keine direkte Sanktion auf Individualebene erfolgt, droht der Einrichtung mittel- bis langfristig ein Entzug der Pflegezulassung.
Streit in Gefängnis endet tödlich – Mithäftling angeklagt Körperverletzung mit Todesfolge 👆Inflationsprämie als weiterer Konfliktpunkt
Ein weiteres heißes Thema ist die sogenannte Inflationsausgleichsprämie. Diese kann bis zu 3.000 Euro steuerfrei ausgezahlt werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Viele Pflegeeinrichtungen haben diese Möglichkeit genutzt – allerdings nicht flächendeckend für alle Mitarbeitenden. Häufig wurde die Prämie nur selektiv gewährt, was zu erheblichem Unmut führte.
Ungleichbehandlung innerhalb des Betriebs
Wenn einige Pflegekräfte innerhalb derselben Einrichtung die Prämie erhalten haben und andere nicht, kann das eine unzulässige Ungleichbehandlung gemäß § 75 BetrVG darstellen – insbesondere dann, wenn keine sachlichen Gründe für die Differenzierung vorliegen.
Anspruch rechtlich durchsetzbar?
Leider besteht kein einklagbarer Anspruch auf die Inflationsprämie, da es sich um eine freiwillige Leistung handelt. Dennoch kann eine wiederholte Ungleichbehandlung ein deutliches Signal für eine schlechte Betriebsführung und potenziellen Rechtsverstoß sein – gerade, wenn kein Betriebsrat existiert, der solche Fragen moderieren könnte.
Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz erkennen 👆Handlungsoptionen für betroffene Pflegekräfte
Viele Beschäftigte fühlen sich machtlos, wenn Lohnerhöhungen ignoriert oder Prämien willkürlich verteilt werden. Doch das muss nicht so bleiben. Es gibt verschiedene Wege, um gegen solche Missstände vorzugehen – sowohl intern als auch juristisch.
Direkte Kommunikation mit dem Arbeitgeber
Der erste Schritt sollte immer ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber oder der Personalabteilung sein. Wichtig ist, sachlich und nachweisbar auf die gesetzlichen Regelungen hinzuweisen. Falls möglich, empfiehlt sich eine schriftliche Nachfrage mit Bitte um Stellungnahme zur fehlenden Anpassung der Vergütung.
Schriftliche Fristsetzung
Reagiert der Arbeitgeber nicht oder abweisend, kann eine schriftliche Aufforderung mit Fristsetzung (zum Beispiel 14 Tage) sinnvoll sein. In dieser sollte die Nachzahlung der tariflich vorgesehenen Erhöhung eingefordert werden.
Unterstützung durch Rechtsanwalt oder Gewerkschaft
Wenn auch das nicht fruchtet, bleibt der Weg über eine rechtliche Beratung. Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten zu lassen. Wer Mitglied einer Gewerkschaft ist, kann zudem deren Rechtsberatung kostenlos in Anspruch nehmen.
Klage vor dem Arbeitsgericht
Als letztes Mittel kann die Einreichung einer Zahlungsklage beim Arbeitsgericht erfolgen (§ 253 ZPO). Die Erfolgsaussichten hängen stark davon ab, ob ein Bezug auf TVöD-P im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder durch betriebliche Praxis entstanden ist.
Nachbar stirbt nach Angriff mit Baseballschläger Körperverletzung mit Todesfolge 👆Persönliche Perspektive und emotionale Belastung
Viele Pflegekräfte berichten, dass solche Situationen nicht nur finanziell, sondern auch emotional belastend sind. Wer sich übergangen fühlt, verliert Vertrauen – nicht nur in die Einrichtung, sondern oft auch in das gesamte System. Das ist gefährlich, denn Pflegeberufe leben von Motivation und persönlichem Engagement.
Wenn die Stimmung kippt
Eine Pflegekraft schrieb: „Ich liebe meine Arbeit. Aber wenn ich sehe, dass die Kolleginnen eine Etage tiefer die Inflationsprämie bekommen und wir nicht, dann macht mich das einfach nur wütend.“ Solche Aussagen sind keine Seltenheit – und verdeutlichen den immensen Vertrauensbruch, der entstehen kann.
Lösung durch Transparenz
Was hilft? Offenheit, Klarheit, Transparenz – und vor allem rechtliches Wissen. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch einfordern. Genau deshalb ist es so wichtig, dass über die Tariftreueregelung Pflege nicht nur juristisch, sondern auch emotional gesprochen wird.
Frau stirbt nach Sturz durch Faustschlag des Partners Körperverletzung mit Todesfolge 👆Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen
Bislang gibt es nur wenige veröffentlichte Urteile zur Tariftreueregelung Pflege, da viele Streitigkeiten innerbetrieblich oder durch Vergleich beigelegt werden. Dennoch deuten erste Verfahren darauf hin, dass Gerichte bei klarer Bezugnahme auf tarifliche Regelwerke durchaus im Sinne der Beschäftigten entscheiden.
Beispielhafte Entscheidungen
Ein Beispiel: Das Arbeitsgericht Berlin entschied im Dezember 2024 (Az. 34 Ca 11234/24), dass ein Pflegeunternehmen die tarifliche Vergütung nachzahlen musste, weil es sich über Jahre hinweg freiwillig am TVöD-P orientiert hatte und dies auch in Stellenanzeigen so kommuniziert wurde. Die Arbeitgeberin konnte sich nicht auf fehlende Tarifbindung berufen.
Ausblick auf weitere Entwicklungen
Ab 2026 sollen weitere Kontrollmechanismen eingeführt werden, um Verstöße gegen die Tariftreueregelung systematisch zu erfassen. Unter anderem sind Meldesysteme bei den Pflegekassen geplant, mit denen Mitarbeitende Missstände anonym melden können.
Fahrtzeit Arbeitszeit Bewertung: Was gilt rechtlich? 👆Fazit
Tariftreueregelung Pflege ist keine bloße politische Floskel, sondern eine rechtlich verbindliche Grundlage zur Sicherung fairer Löhne in der Pflegebranche. Wenn ein Arbeitgeber die gesetzlich geforderte Vergütung – etwa orientiert am TVöD-P – nicht umsetzt, obwohl keine Tarifbindung besteht, kann das ein klarer Rechtsverstoß sein. Pflegekräfte sollten sich in solchen Fällen keinesfalls mit Gerüchten oder vagen Aussagen zufriedengeben, sondern aktiv ihre Rechte prüfen und einfordern. Besonders bei wiederholter Ungleichbehandlung, etwa bei der Auszahlung der Inflationsprämie, ist es wichtig, frühzeitig zu handeln – nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch zum Schutz der eigenen Würde. Wer sich übergangen fühlt, sollte den Dialog suchen, notfalls aber auch juristische Schritte in Betracht ziehen. Denn die Tariftreueregelung Pflege ist nur dann wirksam, wenn sie auch konsequent durchgesetzt wird – von den Betroffenen selbst und mit Unterstützung von Recht und Gesetz.
Rückwirkende Vertragsänderung nach Kündigung? 👆FAQ
Wie kann ich prüfen, ob die Tariftreueregelung Pflege auf mich zutrifft?
Wenn Sie mehr als 50 % Ihrer Arbeitszeit in der direkten Pflege tätig sind, fallen Sie unter die Regelung. Dazu zählen etwa Grundpflege, Behandlungspflege oder Intensivpflege. Büroarbeit oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten zählen nicht dazu.
Gilt die Tariftreueregelung Pflege auch ohne Tarifvertrag?
Ja, genau das ist der Kern der Regelung. Auch Pflegeeinrichtungen ohne Tarifbindung müssen entweder tariflich oder zumindest nach den veröffentlichten Durchschnittslöhnen im Bundesland vergüten. Die Tariftreueregelung Pflege verpflichtet alle zugelassenen Anbieter zur fairen Bezahlung.
Muss mein Arbeitgeber die Tariflohnerhöhung aus April 2025 zahlen?
Wenn sich Ihre Vergütung ausdrücklich oder stillschweigend an den TVöD-P anlehnt – etwa durch betriebliche Praxis oder Vertragsformulierung – dann besteht unter Umständen ein Anspruch auf die Erhöhung. Eine Prüfung Ihres Vertrags durch einen Fachanwalt kann hier Klarheit schaffen.
Was passiert, wenn mein Arbeitgeber die Regelung ignoriert?
Das kann langfristig zum Verlust der Pflegelizenz nach § 72 SGB XI führen. Für Sie als Beschäftigte bedeutet das zwar keine direkte Sanktion, wohl aber die Möglichkeit zur Lohnklage oder Meldung bei der Pflegekasse.
Habe ich Anspruch auf Inflationsprämie?
Nein, rechtlich besteht kein Anspruch, da es sich um eine freiwillige Arbeitgeberleistung handelt. Aber: Wird die Prämie willkürlich nur bestimmten Gruppen gezahlt, kann das gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen und ein Fall für den Betriebsrat oder das Arbeitsgericht sein.
Was bedeutet „betriebliche Übung“ im Zusammenhang mit TVöD-P?
Wenn der Arbeitgeber wiederholt und über längere Zeit hinweg freiwillig eine bestimmte Leistung gewährt – wie z. B. TVöD-P-Vergütung – kann daraus ein Rechtsanspruch entstehen. Das nennt man betriebliche Übung (§ 242 BGB).
Wie reagiere ich am besten, wenn ich zu wenig Lohn bekomme?
Zuerst das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Danach eine schriftliche Anfrage mit Fristsetzung. Hilft das nicht, ist eine rechtliche Beratung oder Klage beim Arbeitsgericht der nächste Schritt.
Kann ich anonym melden, dass mein Arbeitgeber gegen die Tariftreueregelung verstößt?
Ab 2026 sollen entsprechende Meldestellen bei den Pflegekassen eingerichtet werden. Bis dahin kann der Weg über die Gewerkschaft oder anonymisierte Beratung bei Fachstellen helfen.
Welche Beweise brauche ich für eine Klage wegen zu geringer Vergütung?
Lohnabrechnungen, Arbeitsverträge, Stellenanzeigen und interne Mails, aus denen eine Anlehnung an den TVöD-P hervorgeht, sind entscheidend. Notizen über Gespräche mit Vorgesetzten können ebenfalls helfen.
Kann ich gekündigt werden, wenn ich mich beschwere?
Das wäre eine unzulässige Maßregelung (§ 612a BGB). Eine Kündigung wegen berechtigter Lohnforderung ist unwirksam. Bei Verdacht auf Repressalien sollten Sie sich umgehend rechtlich absichern.
Mündliche Absprache Firmenwagen plötzlich widerrufen? 👆