TVÖD Überstunden abfeiern – dieses Thema sorgt immer wieder für Unsicherheit bei Angestellten im öffentlichen Dienst. Besonders dann, wenn die angesammelten Stunden das erlaubte Zeitkonto übersteigen. Aber darf der Arbeitgeber wirklich verlangen, dass diese Stunden auf Wunsch abgefeiert oder ausgezahlt werden – und das möglicherweise gegen den eigenen Willen?
Rechtlicher Rahmen bei Überstunden im TVÖD
Zentral ist hier die Frage, ob der Arbeitgeber laut TVÖD das Recht hat, Angestellte zu verpflichten, angesammelte Stunden innerhalb einer bestimmten Frist abzubauen oder auszahlen zu lassen. Im konkreten Fall wurde berichtet, dass ein Leitungswechsel Grund für die plötzliche Forderung war, Überstunden „abzuräumen“, um der neuen Leitung keine Altlasten zu überlassen.
Keine generelle Pflicht zur Abfeier
Grundsätzlich ist es so: Der TVÖD enthält keine ausdrückliche Regelung, wonach ein Arbeitnehmer verpflichtet werden kann, seine Überstunden oder Gleitzeit zwangsweise abzufeiern. Das heißt aber nicht automatisch, dass jede Forderung des Arbeitgebers unzulässig wäre. Es kommt auf die konkrete Konstellation an.
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Nach §106 GewO (Gewerbeordnung) hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein sogenanntes Direktionsrecht. Das bedeutet, er kann unter bestimmten Bedingungen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen – also auch anordnen, dass Überstunden in Freizeit ausgeglichen werden. Doch dabei darf er sich nicht über bestehende Regelungen im Tarifvertrag oder der Dienstvereinbarung hinwegsetzen.
Grenzen durch Zeitkontenregelung
Oftmals gibt es in Dienstvereinbarungen Höchstgrenzen für das Ansammeln von Stunden. Diese Vereinbarungen können entweder ein Maximalvolumen im Gleitzeitkonto definieren oder eine Frist, innerhalb derer Überstunden genommen werden müssen. Wird dieses Limit überschritten, kann der Arbeitgeber tatsächlich eine Maßnahme ergreifen, um das Konto zu „bereinigen“. Doch auch hier gilt: Zwang ist nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen erlaubt.
Arbeitsverhältnis gekündigt Krankheit Urlaub erklärt 👆TVÖD und Auszahlungsanspruch
Eine weitere häufige Frage: Muss der Arbeitgeber Überstunden auszahlen, wenn sie nicht abgefeiert werden können? Die Antwort lautet: nicht unbedingt.
Kein Automatismus zur Auszahlung
Anders als viele denken, besteht kein automatischer Anspruch auf Auszahlung von Überstunden. Erst wenn ein Freizeitausgleich innerhalb der tariflich vorgesehenen Frist nicht möglich ist, kommt eine Auszahlung in Betracht. Hier greift unter anderem §10 TVöD, der bestimmt, dass Mehrarbeit grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen ist – außer es ist aus dienstlichen Gründen nicht möglich.
Auszahlung nur bei konkretem Anspruch
Eine Auszahlung setzt voraus, dass es sich um tatsächlich angeordnete und dokumentierte Mehrarbeit handelt. Freiwillig geleistete „Extrastunden“, die nicht abgesprochen waren, fallen häufig aus dem Raster. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu mehrfach betont, dass ein Vergütungsanspruch für Überstunden grundsätzlich nur dann entsteht, wenn der Arbeitgeber sie ausdrücklich verlangt hat (BAG, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 AZR 452/18).
Fristlose Kündigung Folgen rechtlich erklärt 👆Besonderheiten bei Gleitzeit
Ein weiterer Punkt, der oft übersehen wird, ist der Unterschied zwischen Gleitzeit und Überstunden. Auch wenn sich beide im Zeitkonto niederschlagen, sind sie rechtlich nicht gleichzusetzen.
Gleitzeit ist freiwillig steuerbar
Gleitzeit basiert meist auf einer Rahmenvereinbarung, die den Beschäftigten mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit einräumt. Der Arbeitgeber kann bei Gleitzeitstunden also schwerer argumentieren, dass sie zwangsweise genommen werden müssen – es sei denn, das Gleitzeitkonto läuft völlig aus dem Ruder.
Keine automatische Rückforderung
Auch bei Gleitzeit gilt: Der Arbeitgeber darf nicht einfach Stunden einseitig „wegnehmen“ oder streichen. Wenn überhaupt, muss eine gemeinsame Lösung gefunden werden – etwa durch Planungsgespräche oder Anpassung der Arbeitszeitmodelle.
Fehlende Tätigkeiten Arbeitszeugnis: Beweise? 👆Praxisfall: Was tun bei Druck von oben?
Im geschilderten Fall beruft sich der Arbeitgeber auf den Leitungswechsel, um bestehende Überstunden loszuwerden. Doch darf man als Arbeitnehmer so unter Druck gesetzt werden?
Handlungsspielraum prüfen
Zunächst sollte geprüft werden, ob eine Dienst- oder Betriebsvereinbarung existiert, die konkrete Regelungen enthält. Wenn ja, ist diese vorrangig gegenüber einer mündlichen Anweisung. Gibt es keine, hilft ein Blick in den Arbeitsvertrag und gegebenenfalls in individuelle Absprachen oder betriebliche Übung.
Gespräch suchen und Einigung anstreben
Oft lassen sich solche Konflikte durch ein offenes Gespräch mit der Personalabteilung oder dem Vorgesetzten lösen. Eine einvernehmliche Lösung – etwa ein abgestufter Abbauplan für die Stunden – ist rechtlich und praktisch meist der beste Weg.
Rechtsrat einholen bei Konflikten
Wenn keine Einigung erzielt werden kann und der Arbeitgeber auf seine Anweisung besteht, kann es sinnvoll sein, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann dann prüfen, ob ein Verstoß gegen den Tarifvertrag oder die guten Sitten vorliegt.
Kündigung nach langer Krankheit: Was tun jetzt? 👆Besonderheit: Aufgedrängte Überstunden
Ein juristisch spannender Aspekt ist die Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf Ausgleich besteht, wenn Überstunden „aufgedrängt“ wurden – also ohne offizielle Anordnung geleistet wurden.
Kein Anspruch ohne Anordnung
Nach ständiger Rechtsprechung besteht für solche Stunden kein Anspruch auf Bezahlung oder Freizeitausgleich. Wer also eigenmächtig länger bleibt, ohne dass dies gefordert oder wenigstens geduldet wurde, geht im Zweifel leer aus. Das Bundesarbeitsgericht betont hier die Bedeutung des Nachweises einer konkreten Anordnung oder einer betrieblichen Notwendigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11).
Urlaubsanspruch TVöD Mitte Monat: Was gilt wirklich? 👆Fazit
TVÖD Überstunden abfeiern – dieser Themenkomplex bewegt viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Auch wenn der Arbeitgeber ein gewisses Weisungsrecht hat, darf er die Angestellten nicht einfach dazu zwingen, ihre Gleitzeit oder Überstunden auf bestimmte Weise abzufeiern oder sich auszahlen zu lassen. Entscheidend ist, ob tarifliche, vertragliche oder betriebliche Regelungen bestehen, die diese Frage konkret regeln. Ohne klare Vorgabe gilt: Der Arbeitgeber kann nicht einseitig über den Umgang mit angesammelten Stunden entscheiden. Um auf der sicheren Seite zu sein, lohnt es sich in jedem Fall, die individuellen Regelungen im Arbeitsvertrag, im TVöD sowie in eventuell bestehenden Dienstvereinbarungen genau zu prüfen. Im Zweifel bietet ein Gespräch mit dem Personalrat oder ein anwaltlicher Rat die nötige Sicherheit.
Urlaubsanspruch bei 3 Arbeitstagen richtig berechnen 👆FAQ
Kann der Arbeitgeber im TVÖD einfach bestimmen, wann Überstunden genommen werden müssen?
Nicht ohne Weiteres. Wenn keine klare Regelung in Tarifvertrag oder Dienstvereinbarung besteht, darf der Arbeitgeber nicht willkürlich über den Zeitpunkt des Abfeierns entscheiden. Zwar besitzt er ein gewisses Direktionsrecht, dieses ist aber durch die bestehenden Rahmenbedingungen stark eingeschränkt.
Muss ich angesammelte Überstunden im TVÖD zwangsläufig abbauen?
TVÖD Überstunden abfeiern ist grundsätzlich möglich, aber ein Zwang dazu besteht nicht automatisch. Nur wenn die vereinbarte Obergrenze des Zeitkontos überschritten wird oder betriebliche Notwendigkeiten bestehen, kann der Arbeitgeber Maßnahmen verlangen. Auch dann muss dies im Rahmen rechtlicher Vorgaben geschehen.
Darf ich statt Abfeiern eine Auszahlung der Überstunden verlangen?
Ein genereller Anspruch auf Auszahlung besteht nicht. Laut TVÖD sollen Überstunden bevorzugt durch Freizeit ausgeglichen werden. Eine Auszahlung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Ausgleich aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist und die Überstunden ordnungsgemäß angeordnet wurden.
Was passiert, wenn ich meine Überstunden freiwillig gemacht habe?
In diesem Fall spricht man von „aufgedrängten Überstunden“. Für diese besteht in der Regel kein Vergütungsanspruch, wenn sie nicht ausdrücklich vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden. Hier kann es sinnvoll sein, Nachweise oder frühzeitige Absprachen zu dokumentieren.
Wie gehe ich am besten vor, wenn der Arbeitgeber Druck macht?
Wenn Sie sich durch die Forderung nach dem Abbau Ihrer Überstunden ungerecht behandelt fühlen, sollten Sie zunächst das Gespräch mit dem Vorgesetzten oder dem Personalrat suchen. Bei Uneinigkeit empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen, um Ihre Rechte im Zusammenhang mit dem Thema TVÖD Überstunden abfeiern zu sichern.
Betriebsurlaub keine Urlaubstage: Was darf der Chef? 👆