Immer mehr Beschäftigte im öffentlichen Dienst stoßen auf dieselbe Hürde: Sie dürfen ihren Urlaub nicht mehr langfristig beantragen. Statt Monate im Voraus zu planen, heißt es plötzlich: Entscheidung erst wenige Tage vorher. Die Leitung einer Kita verlangt genau das – aber ist diese kurzfristige Urlaubsgenehmigung überhaupt rechtens?
Fallbeispiel aus dem öffentlichen Dienst
In einer städtischen Kindertageseinrichtung arbeitet eine Erzieherin unter schwierigen Bedingungen. Wegen chronischem Personalmangel durch Krankheitsausfälle wurde ihr kürzlich mitgeteilt, dass Urlaube künftig nur noch sehr kurzfristig genehmigt werden. Ein Antrag im April für Urlaub im November? Laut Leitung nicht mehr möglich. Erst mittwochs vor dem gewünschten Urlaubsbeginn am folgenden Montag könne entschieden werden, ob der Urlaub genehmigt wird – abhängig davon, wie viele Kolleginnen krankgemeldet sind.
Zusätzlich bestehen bereits rund 25 feste Schließtage pro Jahr, an denen die Mitarbeitenden ohnehin Urlaub nehmen müssen. Die verbliebenen freien Tage sollen nun ausschließlich kurzfristig genutzt werden dürfen – eine langfristige Urlaubsplanung mit dem Partner oder für Familienurlaube wird dadurch faktisch unmöglich gemacht.
Versetzung ohne Zustimmung Betriebsrat erlaubt? 👆Gesetzlicher Rahmen für Urlaubsgewährung
Keine starre Frist im Gesetz
Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gibt es keine konkrete Vorschrift, wie viele Wochen oder Monate im Voraus ein Urlaub beantragt werden muss. § 7 Abs. 1 BUrlG regelt aber eindeutig, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, soweit dem keine dringenden betrieblichen Belange oder Urlaubswünsche anderer entgegenstehen.
Dringende betriebliche Gründe?
Eine abstrakte Möglichkeit von Personalausfällen durch Krankheit reicht als Grund für eine Urlaubsverweigerung nicht aus. Dringende betriebliche Belange müssen konkret und nachvollziehbar sein. Dass im November eventuell jemand krank sein könnte, genügt nicht. Auch das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt betont, dass hypothetische Szenarien keine tragfähige Grundlage für die Ablehnung von Urlaubsanträgen darstellen (z.B. BAG, Urteil vom 20.06.2000 – 9 AZR 405/99).
Bonuszahlung Kürzung rechtens? 👆Tarifvertragliche Vorgaben im öffentlichen Dienst
Anwendung des TVöD
In Einrichtungen des öffentlichen Dienstes gilt häufig der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Dort heißt es in § 26 TVöD ebenfalls: „Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Beschäftigter entgegenstehen.“ Auch hier fehlt jede Grundlage für eine allgemeine „kurzfristige Planungsverpflichtung“.
Betriebsferienanteil begrenzt
Auch hinsichtlich der 25 festgelegten Schließtage gibt es klare Grenzen: Nach der Rechtsprechung darf ein Arbeitgeber maximal etwa 60 % der Urlaubstage im Rahmen von Betriebsferien verplanen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.05.2011 – 12 Sa 1826/10). Bei 30 Urlaubstagen wären also 18 Tage planbar – 25 könnten unzulässig sein, sofern keine abweichende tarifliche Regelung existiert.
Kündigung falsche Frist Arbeitsamt verweigert ALG? 👆Mitbestimmungsrecht des Personalrats
Beteiligung des Personalrats ist Pflicht
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Personalrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze. Dazu gehören auch Regelungen, die besagen, wie weit im Voraus ein Urlaub beantragt werden muss. Eine allein durch die Leitung getroffene Vorgabe, Urlaube nur noch kurzfristig zu genehmigen, wäre daher mitbestimmungspflichtig – und ohne Zustimmung des Personalrats unwirksam.
Einigungsstelle bei Konflikten
Kommt keine Einigung mit dem Personalrat zustande, muss laut § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle angerufen werden. Diese entscheidet dann verbindlich über die neue Regelung. Solange ein solcher Beschluss fehlt, darf die Leitung keine neuen Urlaubsregeln einseitig durchsetzen.
Schützenverein: Fehlzündung bei Übung trifft Teilnehmer Fahrlässige Körperverletzung 👆Möglichkeiten für betroffene Mitarbeitende
Urlaubsantrag trotzdem stellen
Mitarbeitende haben das Recht, Urlaub auch langfristig zu beantragen. Lehnt die Leitung diesen ohne konkret nachvollziehbare Gründe ab, kann der Antrag sogar arbeitsgerichtlich durchgesetzt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Ablehnung nur auf hypothetischen Ausfällen beruht.
Dokumentation ist entscheidend
Wichtig ist, alle Ablehnungen schriftlich einzuholen – insbesondere wenn die Leitung behauptet, bestimmte Vorgaben seien bereits bindend, obwohl sie nur mündlich formuliert wurden. Nur so lässt sich die Rechtmäßigkeit überprüfen, ggf. mit Unterstützung durch den Personalrat oder vor dem Arbeitsgericht.
Zahnarzt verletzt Nerv bei Behandlung – bleibende Schäden Fahrlässige Körperverletzung 👆Praktische Auswirkungen für die Urlaubsplanung
Familienfreundlichkeit leidet
Für viele Beschäftigte ist die langfristige Urlaubsplanung essenziell – insbesondere wenn der Partner ebenfalls in einem engen Planungsrahmen arbeitet oder Kinder schulpflichtig sind. Spontanurlaube wenige Tage vorher sind dann schlicht nicht realistisch. Es entsteht ein deutlicher Konflikt zwischen betrieblicher Flexibilität und berechtigtem Privatleben der Mitarbeitenden.
Psychischer Druck steigt
Die Unsicherheit, ob ein geplanter Urlaub überhaupt stattfinden kann, erhöht den Druck auf das Personal. Statt Erholung entsteht Frustration. Gerade in sozialen Berufen wie der Erziehungsarbeit, wo emotionale Belastung ohnehin hoch ist, kann das gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden haben.
Befristeter Arbeitsvertrag Vorlage rechtssicher nutzen 👆Zusammenfassung der rechtlichen Bewertung
Regelung ohne Mitbestimmung unwirksam
Ohne schriftliche, mit dem Personalrat abgestimmte Regelung darf keine neue Urlaubsstrategie eingeführt werden. Spontane Entscheidungen von Vorgesetzten sind rechtlich nicht tragfähig.
Betriebsferien müssen begrenzt sein
Die Zahl der festen Schließtage darf nicht über das Maß hinausgehen, das gesetzlich oder tariflich erlaubt ist. 25 Schließtage sind in vielen Fällen problematisch.
Urlaubsverweigerung muss begründet sein
Ein Urlaub darf nur dann abgelehnt werden, wenn tatsächlich nachvollziehbare Gründe vorliegen – nicht aufgrund von bloßen Sorgen oder hypothetischen Krankheitsfällen.