Wechsel der Betriebsstätte Arbeitsrecht ist ein Thema, das viele Arbeitnehmer völlig unvorbereitet trifft. Wenn der bisherige Arbeitsort plötzlich geschlossen und ein neuer Standort weit entfernt eröffnet wird, stellen sich sofort Fragen zu Zumutbarkeit, Kosten und Kündigungsschutz. Genau darum geht es in diesem Beitrag: Was dürfen Arbeitgeber und welche Rechte haben Arbeitnehmer wirklich?
Beispiel einer Standortverlagerung
Ein Arbeitnehmer ist in Betrieb X tätig, dessen Schließung vom Arbeitgeber aus strategischen Gründen beschlossen wird. Stattdessen soll Betrieb Y etwa 40 Kilometer weiter entfernt eröffnet werden. Während der bisherige Arbeitsweg 18 Kilometer betrug, verlängert er sich künftig auf mehr als 60 Kilometer täglich. Der Arbeitsvertrag enthält ausdrücklich die Festlegung, dass der Arbeitsort Betrieb X ist, Versetzungsklauseln fehlen. Der Arbeitnehmer fährt einen Dienstwagen, der nach der 1-%-Regel versteuert wird, möchte die längere Fahrt aber nur gegen einen finanziellen Ausgleich akzeptieren. Der Arbeitgeber lehnt dies ab und beruft sich auf die unternehmerische Entscheidung. Damit steht im Raum, ob der Arbeitnehmer verpflichtet werden kann, an der neuen Betriebsstätte zu arbeiten.
Fristlose Kündigung Arbeitgeber Laden rechtlich erklärt 👆Vertragliche Bindung an den Arbeitsort
Entscheidend ist der genaue Wortlaut des Arbeitsvertrages. Wird ein konkreter Ort wie „Betrieb X in Stadt A“ genannt, kann der Arbeitgeber diesen nicht einseitig ändern. Das Direktionsrecht (§ 106 GewO) erlaubt zwar Weisungen hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, jedoch nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen. Ohne Versetzungsklausel ist ein Wechsel des Arbeitsortes nicht einseitig möglich.
Auswirkungen bei fehlender Versetzungsklausel
Liegt keine Versetzungsklausel vor und ist der Standort vertraglich festgeschrieben, entfällt mit der Schließung der Betriebsstätte schlicht die Beschäftigungsmöglichkeit an diesem Ort. In diesem Fall kann der Arbeitgeber entweder eine Änderungskündigung (§ 2 KSchG) aussprechen oder, falls keine Einigung erzielt wird, eine betriebsbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).
10 Tage arbeiten rechtlich erklärt 👆Änderungskündigung als Lösung
Die Änderungskündigung ist ein häufig genutztes Mittel. Dabei wird das bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt, gleichzeitig aber die Fortsetzung zu geänderten Bedingungen – hier am neuen Standort – angeboten. Der Arbeitnehmer kann dieses Angebot annehmen oder ablehnen. Nimmt er an, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, wenn auch zu neuen Konditionen. Lehnt er ab, gilt die Kündigung und er kann Kündigungsschutzklage erheben.
Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage
Bei Schließung einer Betriebsstätte akzeptieren die Arbeitsgerichte regelmäßig die unternehmerische Entscheidung als betriebsbedingten Kündigungsgrund. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 23.02.2010 – 2 AZR 268/08) stellte klar, dass die Gerichte die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit einer Standortverlagerung nicht überprüfen. Sie prüfen lediglich, ob die Entscheidung willkürfrei getroffen wurde. Deshalb sind die Chancen, sich gegen eine Änderungskündigung erfolgreich zu wehren, in der Praxis oft gering.
Kündigungsfrist nach 4 Jahren richtig verstehen 👆Zumutbarkeit des längeren Arbeitswegs
Eine wesentliche Frage ist, ob der längere Arbeitsweg zumutbar ist. Rechtlich gilt: Arbeitnehmer tragen grundsätzlich das sogenannte Wegerisiko selbst. Das bedeutet, dass auch längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen sind, wenn der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht. Eine finanzielle Entschädigung oder Erstattung der Mehrkosten ist ohne entsprechende Vereinbarung nicht geschuldet. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, den erhöhten Aufwand für Fahrtkosten zu übernehmen.
Steuerliche Aspekte für Arbeitnehmer
Allerdings können Arbeitnehmer die höhere Entfernungspauschale steuerlich geltend machen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Für jeden vollen Kilometer der einfachen Strecke können 0,30 € abgesetzt werden, ab dem 21. Kilometer sogar 0,38 €. Das mindert die Steuerlast, gleicht aber die tatsächlichen Kosten nur teilweise aus.
Unternehmerisches Risiko Minusstunden erklärt 👆Möglichkeiten für Arbeitnehmer
Wenn ein Arbeitnehmer die Verlagerung ablehnt, bleibt praktisch nur die Klärung über eine Änderungskündigung oder notfalls eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wer jedoch eine Weiterbeschäftigung möchte, kann mit dem Arbeitgeber versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu verhandeln, etwa durch Zuschüsse oder Homeoffice-Regelungen. Ohne Vertragsergänzung ist der Arbeitgeber aber nicht verpflichtet, diese anzubieten.
Rolle des Betriebsrats
Falls ein Betriebsrat existiert, hat er nach § 111 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Betriebsänderungen wie Standortverlagerungen. Der Arbeitgeber muss einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln. Hier können Abfindungen oder Ausgleichszahlungen vereinbart werden, die die Nachteile für Arbeitnehmer abfedern.
Arbeitszeit Höchstgrenzen rechtlich erklärt 👆Rechtliche Bewertung
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Wechsel der Betriebsstätte Arbeitsrechtlich ist ein komplexes Thema. Vertraglich festgelegte Arbeitsorte können nicht einfach einseitig verlagert werden. Der Arbeitgeber kann aber durch betriebsbedingte Kündigung oder Änderungskündigung Druck ausüben. Arbeitnehmer sollten deshalb genau prüfen, was im Arbeitsvertrag steht, ob ein Betriebsrat involviert ist und ob Verhandlungen möglich sind.
Betriebsbedingte Kündigung Wiedereinstellung verstehen 👆Fazit
Der Wechsel der Betriebsstätte Arbeitsrechtlich ist ein heikles Thema, das oft zu Spannungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber führt. Klar ist: Ohne Versetzungsklausel kann der Arbeitgeber den Arbeitsort nicht einfach einseitig ändern. Wird der Standort jedoch geschlossen, bleibt meist nur die Änderungskündigung als rechtliches Instrument. Arbeitnehmer müssen dann entscheiden, ob sie den neuen Standort akzeptieren oder die Kündigung riskieren. Finanzielle Ausgleichsansprüche für längere Fahrtwege bestehen in der Regel nicht, es sei denn, sie wurden ausdrücklich vereinbart oder über einen Sozialplan geregelt. Deshalb ist es für Arbeitnehmer entscheidend, ihre Rechte zu kennen und bei Bedarf frühzeitig rechtliche Beratung einzuholen.
Befreiung Rentenversicherungspflicht Minijob sinnvoll? 👆FAQ
Muss ich den neuen Arbeitsort akzeptieren?
Nein, wenn im Arbeitsvertrag ein fester Ort genannt ist, können Sie nicht einseitig versetzt werden. Lehnt man den Wechsel ab, droht aber eine Änderungskündigung.
Kann der Arbeitgeber das Direktionsrecht nutzen?
Das Direktionsrecht erlaubt zwar Weisungen zum Arbeitsort, aber nur im Rahmen des Vertrags. Ist ein fester Ort vereinbart, greift es nicht.
Bekomme ich einen Ausgleich für höhere Fahrtkosten?
Ohne ausdrückliche Vereinbarung besteht kein Anspruch. Arbeitnehmer tragen das Wegerisiko selbst, auch bei längeren Strecken.
Habe ich Anspruch auf Abfindung bei Standortwechsel?
Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht nicht. Nur über einen Sozialplan oder individuelle Vereinbarungen können Ausgleichszahlungen entstehen.
Kann ich gegen eine Änderungskündigung klagen?
Ja, eine Kündigungsschutzklage ist möglich. Die Erfolgsaussichten sind aber gering, da Gerichte die unternehmerische Entscheidung zur Standortschließung meist akzeptieren.
Was ist, wenn der Betriebsrat beteiligt ist?
Dann muss nach § 111 BetrVG ein Interessenausgleich oder Sozialplan ausgehandelt werden, der mögliche finanzielle Nachteile abfedern kann.
Zählt ein 60-Kilometer-Weg noch als zumutbar?
Grundsätzlich ja, solange der Vertrag nicht anderes vorsieht. Die Kosten können immerhin steuerlich über die Entfernungspauschale geltend gemacht werden.
Kann ich Homeoffice verlangen?
Ein Anspruch auf Homeoffice besteht nicht. Es ist nur möglich, wenn dies mit dem Arbeitgeber vereinbart wird.
Gilt der Wechsel der Betriebsstätte Arbeitsrechtlich immer als Kündigungsgrund?
Nicht automatisch. Erst wenn keine Einigung erzielt wird und der Standort tatsächlich geschlossen ist, kann eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
Welche Rolle spielt der Arbeitsvertrag konkret?
Der Vertrag ist der Schlüssel. Je genauer der Arbeitsort darin festgelegt ist, desto stärker sind Ihre Rechte gegen eine einseitige Verlagerung.
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